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BurstEs sind Worte, die aus Erfahrungen kommen – Worte aus zahlreichen Interviews sowie persönliche, die da zu Bewegung werden. In einer weiträumigen, aufgelassenen, weitgehend leeren Fabrikhalle; einer bereits etwas verwahrlosten, die, wie auch weitere Nebenräume, nun von KünstlerInnen genutzt wird: in Form von Graffitis und Objekten des Widerstandes.

Etwa einer Zitrone mit je zwei Beinen und Armen und der verbalen Aufforderung „drück mich“. Oder eben für zeitgenössischen Tanz. Und dieser passt punktgenau in diesen Raum, der als ehemalige Kaffeefabrik nicht nur für global problematische Themen steht, sondern auch vor Ort für einen Arbeitsalltag der wahrscheinlich nicht ausnahmslos korrekten Art. Es sind aber auch noch weitere Themen, die die seit gut 13 Jahren in Graz lebende professionelle Tänzerin Bruna Diniz Afonso (Brasilien) hier mit sicherer Hand aufgreift und anprangert; als Projektleiterin, Choreografin und Performerin. Gemeinsam mit dem mitgestaltenden, international erfahrenen Profitänzer und breit ausgebildeten Lehrer Julián Yopasá aus Kolumbien, der ebenfalls in Graz lebt. Und mit einem homogenen Team, bei dem Zlata Zhidkova, Sound Design und Atousa Falamarzian, Komposition für gleichermaßen tragend und treibende wie schmerzend betonende akustische Kunst sorgen – im wohlüberlegten Kontrast zu Passagen der Stille und abgestimmt mit den eingespielten Texten. 

Dieses dichte sensorische Paket wird visuell zum Teil vor allem von einer Anzahl Zuschauer, die sich mit allen anderen frei im Raum bewegen,  mit ihren (am Beginn ausgeteilten) Taschenlampen erfasst: Diese Metapher des bewussten Suchens - von immerhin einigen - nach all dem Verborgenen in unserer Gesellschaft, dem Totgeschwiegenen, das die beiden Tänzer verkörpern, ist nicht nur faszinierend; es unterstreicht die Subjektivität dessen, was beleuchtet wird, eventuell zur Diskussion kommt oder eben nicht. 

Die hier alles verbindende Thematik ist mit Diskriminierung in einem sehr weiten Sinne zu umreißen: die von Menschen im allgemeinen, ‚Anderen‘ und Frauen im Besonderen. Diese Dimension tänzerisch zu gestalten, gelingt den beiden Tanz-Künstlern, eingebettet in dieses großartigen Setting, durch die Ausdrucksstärke in ihrer Bewegungsvielfalt in Soli und gemeinsam. In häufig ruhigen Passagen machen sie in der Feinheit ihrer körperlichen Kommunikation die Feinheit von Unterdrückungsmechanismen bewusst. Sie zeigen in kleinen Gesten, in einem Zucken, Heben der Hand, Senken der Schulter wie schmal so mancher Grat sein kann; auch der zwischen Ja und Nein, zwischen einem kraftlosen Fügen und einem explosiven Widerstand. Die inneren Kämpfe, die eigene Gespaltenheit wird kontrastiert zu offensichtlich ausgeübtem Machtmissbrauch, zu Unterdrückung. Alles ‚nur‘ angedeutet – angedeutet mit unentrinnbarer Überzeugungskraft,

Zeitlupenartiges Zusammensinken und erschöpftes Verharren wie tastendes Suchen nach Halt – am Objekt, in sich, am anderen: All dies ist sichtbar, kann gesehen werden, wenn hingeschaut wird, kann interpretiert werden – in der einen aber auch oft in anderer Weise. Diese Freiheit der Wahrnehmung wird auch unterstrichen durch ein teilweises weit voneinander Agieren der Künstler: Welche Eindrücke lasse ich an mich heran, wo schaue ich, wenn überhaupt, aufmerksam hin? Die Zuseher werden mittels Kunst also „unbarmherzig“ in die Verantwortung gezogen! 

Die Qualität der gesehenen Bilder und Szenen ist durchgehend hoch, wirkt authentisch: scheinen doch die beiden mit den zu hörenden Texten eins zu werden, zu sein. Die Rezeption einzelner Zuseher ist zweifellos eine sehr unterschiedliche. Dass diese Performance aber kaum jemanden nicht erreicht, nicht darüber nachdenken lässt, ist auch nach dem nicht enden wollenden Applaus kaum vorstellbar. 

BURST #2 am 29. November im Hornig-Areal, Graz

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