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Morales1Die Ästhetik von Bewegung tut dem Auge wohl, so manches Mal auch dem Gemüt. Vieles mehr aber kann bewirken, wenn Bewegung etwas vermitteln will, etwas zu sagen hat, was vielleicht sogar (zarter) Anstoß zu einem anderen (etwas) anderen Rezipieren und Denken ist. Das Medium der Tänzerin und Choreografin Maura Morales ist der Körper und seine Möglichkeit der Kommunikation.

In Kuba aufgewachsen und jahrelang in Ballett – neben anderen Formen des Tanzes - ausgebildet, ist für sie unterschiedliche Art der Limitierung komplexe Alltagserfahrung. Entsprechend vehement bemüht sie sich, in ihrem künstlerischen Tun der Freiheit eine Bühne zu geben. (Siehe auch Porträt auf tanz.at vom 6. Februar). Ihre neueste Choreografie, „Vom Verschwinden der Körper“ ist ein wunderbar überzeugendes Beispiel dafür. Ist für einen tradierten Ort wie das Opernhaus Graz ein „Ausreißer“, der vielleicht sogar etwas irritierenden Art. Ist aber dem nunmehrigen Motto des Hauses „Oper, öffne dich!“ vollkommene entsprechend und Dirk Elwerts konsequentem „Befolgen“ dieser Aufforderung in Form dieser Gast-Choreografie hoch anzurechnen. Und ist schließlich für die 8 Tänzerinnen und Tänzer des Ballett Graz, mit denen Morales gemeinsam mit Michio Woirgardt, ihrem kongenialen Partner für die Musik, diese Choreografie erarbeitet, einerseits eine tanz-technische Herausforderung und andererseits eine wertvolle Erweiterung ihres tänzerischen Repertoires im Bereich des Zeitgenössischen.Morales2

Ein Plot im gewohnten Sinne ist nicht gegeben. Ein zarter roter Faden vielleicht insofern, als die in der Stille aus dem Grau eines Würfels, einer „Schublade“ auftauchenden Hände, Arme nicht nur zu Beginn neben anderen Körperteilen später als Teil einer nicht mehr gegebenen Gesamtheit interpretierbar sind. Teil eines Wesens sind, das kurz darauf verunsichert ins Publikum blickt, also den anderen wahrnimmt, während es sich selbst sucht. 

Diesem kurzen Prolog folgt eine der besonders dichten, nun auch von Musik begleiteten Szene, wenn aus einem weiteren grauen Kubus (bemerkenswert in seiner diskreten Klarheit und Funktionalität das Bühnenbild von Heiko Mönnich) Körper in runder Geschlossenheit gemächlich, ja mit meditativer Ausstrahlung diagonal einer nach dem anderen über die Tanzfläche rollen und wiederum in einem Kubus verschwinden. Spätestens bei diesem wiederholten, zielstrebigen-ruhigen Fluss der sich bewegenden Körper wird man sich der außergewöhnlich authentischen Kraft bewusst, die den ungewöhnlichen Tanz in dieser Produktion charakterisieren: Ob in Zeitlupen-Passagen oder in solchen explosiver Entäußerung, ob im einfühlsamen Miteinander oder an Brutalität grenzenden Rollen- und Machtkampf, ob im Gleichklang aller oder im Solo, im Pas de deux oder Pas de trois: Die Tänzer und Tänzerinnen bewegen sich nicht nacheiner Choreografie, sondern tanzen die ihre. Das, was die beiden ‚Inspiratoren‘, Morales und Woirgardt, aus jedem, jeder der acht KünstlerInnen „herausholt“, steckt also ganz ursprünglich schon in ihnen; will in genau dieser individuellen Form frei werden; frei von ‚klassischen‘ Bewegungsvorgaben, ohne einerseits dabei auf den bewussten, feinst geführten Umgang mit dem eigenen, auch dem erlernten Bewegungspotential zu vergessen und andererseits mit dem geweckten Mut bisherige Grenzen immer wieder einmal zu überschreiten. 

Morales3Die weitgehend abstrakten, frei interpretierbaren Bewegungsabläufe werden in ihrem meist hohen Tempo, in ihrer variierenden Dynamik gleichermaßen unmerklich wie treibend unterstützt und getragen von einem Geflecht an Tönen, das die Bandbreite der zu sehenden Emotionen auch in ihren ungewöhnlichen Ausformungen eindringlich wirken lässt: etwa im ‚Liebesspiel der Füße‘ oder der ‚verzehrenden‘ Aneignung eines Du. Genauso wie beim Hineinschmelzen der Körper in den Boden, beim Verschmelzen mit dem, was uns essenziell umgibt.Morales4

Mehr als stimmig, dass dieser Abend mit dem Atmen der am Boden liegend KünstlerInnen sein Fade Out hat. 

Ballett der Oper Graz: „Vom Verschwinden der Körper“, Tanzstück in der Choreografie von Maura Morales mit Musik von Michio Woirgardt. Premiere am 8.Februar 2024 in der Studiobühne der Oper Graz. Weitere Vorstellungen am 15., 16., 28. Februar, 1., 3., 6., 10. März

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