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bitterliSieben Jahre lang hat Milli Bitterli in der Schweiz, in Japan, Finnland, Deutschland und Österreich Menschen in ihren Wohnungen besucht und hat zu ihnen eine tänzerische Beziehung hergestellt. Begleitet wurde sie von Jack Hauser, der die Besuche mit seiner Kamera eingefangen hat. Den daraus entstandenen Film verbindet Bitterli nun mit einer Choreografie auf der Bühne.

Die Menschen im Film schauen verunsichert, wohlwollend, ratlos, freundlich, sind cool, nervös, neugierig oder auch freudig erregt, wenn Milli Bitterli sozusagen mit der Tür ins Haus fällt und sich robbend, gehend, hüpfend und krabbelnd ihren Weg durch ihre Wohnungen bahnt, um zwischen Möbeln zur Skulptur zu erstarren. Manche lassen sich von ihrer Zeitungslektüre nicht ablenken, andere wollen noch ihr Frühstück beenden, bevor sie sich dem seltsamen Besuch widmen. Manche sind sofort dabei, andere brauchen etwas Zeit zum Auftauen, aber bei allen entsteht ein Kontakt zur Tänzerin, manche – vor allem Kinder – tanzen und spielen mit. In diesen Momenten entstehen wahre Glücksgefühle, wird die menschliche Wärme dieser Begegnungen spürbar.

Auf der Bühne nimmt Bitterli die Bewegungsmotive des Films auf, ergänzt die tänzerischen Aktionen, die die Kamera gerade nicht filmt, oder setzt andere Bewegungen entgegen und tanzt zu Musik von Pink Floyd bis Bob Dylan. Jedenfalls „rettet“ sie die Begegnungen ins Jetzt, durchlebt noch einmal ihre Besuche und teilt die Erfahrung nun mit einem Publikum. Und es gelingt ihr auch, mit ihm in Beziehung zu treten, Blickkontakt mit einzelnen Zusehern herzustellen und ihnen ein Lächeln zu schenken. Man kann sich gut vorstellen, dass diese Tänzerin überall ein gern gesehener Gast ist.

Manchmal taucht bei mir ein voyeuristisches Gefühl auf, wenn ich der Kameraführung in die Privatsphäre der Bewohner folge. Ist das das Haus eines Großwildjägers, wo ein ausgestopfter Löwe und ein Zebrafell die Wohnung zieren? Sind die bemalten Glasobjekte Werke der Wohnungsinhaberin? Was macht der Stier in der Box? Ist hier die Katze Hausherrin? Zwangsläufig wird man neugierig auf die Geschichten der Menschen, die in diesen Räumlichkeiten wohnen ...

Doch Bitterli (die für den Schnitt verantwortlich zeichnet) und Hauser haben diese Dokumentation mit großem Respekt gefilmt und bearbeitet und es bleibt bei flüchtigen Momenten des „Voyeurismus“. Vielmehr vermittelt der Film plus Performance ein Gefühl fröhlicher Leichtigkeit, und ich erlebe auf mehreren Ebenen eines der schönsten Beispiele von Tanz als Kommunikationsform.

Jack Hauser, der bei diesem Projekt „das Auge von außen“ war, beschreibt es sehr treffend: „Es ist zärtlich, es ist unheimlich, es ist frech. Es ist etwas  Behauptendes, etwas Einsames, etwas Lockendes.“ Für das Publikum ist „Was bleibt?“ auch unterhaltsam und bestrickend.

Artificial horizon / Milli Bitterli „Was bleibt“ am 12. Oktober im brut wien

 

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