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Gyoer waves IconBeim Ballett von Györ steht ein Doppelführung an der Spitze. 2020 wurde der bisherige künstlerische Leiter László Velekei Ballettchef. András Lukács übernahm nach seinem Abgang vom Wiener Staatsballett, wo er als Tänzer wirkte und auch als Choreograf bemerkenswerte Spuren hinterließ, die Rolle des künstlerischen Leiters. Nun brachten Velekei und Lukács einen gemeinsamen Abend auf die Bühne des Nationaltheaters in Györ.

Mit dem Ballett von Győr hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine interessante Compagnie in unserem Nachbarland etabliert. 1979 beschloss die damalige Abschlussklasse des Ungarischen Staatlichen Ballettinstituts zusammenzubleiben und gründete in Győr eine eigene Compagnie. Man konnte den Bejart-Tänzer Iván Markó für dieses Projekt als Ballettchef gewinnen. Nach seinem Ausscheiden 1991 übernahm János  Kiss als Tänzer der ersten Stunde im Győri Balett die Position als Ballettdirektor und führte das Ensemble mit seiner künstlerischen Arbeit durch Beharrlichkeit und Innovation erfolgreich ins neue Jahrtausend. Werke renommierter Choreografen wie u.a. Robert North, Ben Van Cauwenbergh, Christopher Bruce, Cayetano Soto, Jr. Gyula Harangozó oder György Vámos wurden ins Repertoire aufgenommen und steigerten die Bekanntheit der Balletttruppe. Immer wieder gab er jungen Tänzern die Chance, sich auch choreografisch zu beweisen und förderte auf diese Weise nicht nur László Velekei, der seit 1997 dem Ballett von Győr als Tänzer angehörte, sondern er lud auch András Lukács ein, seine Stücke hier einzustudieren. László Velekei beendete 2009 seine Tänzerkarriere, um sich ganz dem Choreografieren zu widmen – 2015 wurde er artistischer Direktor, 2020 folgte er János Kiss als Ballettchef nach, der weiterhin als Berater dem Ensemble verbunden bleibt. 2020 übernahm András Lukács nach Beendigung seiner Tänzerlaufbahn im Wiener Staatsopernballett die Funktion als artistischer Direktor im Győri Balett. Gemeinsam sind sie also seit dem Vorjahr für die Geschicke der Compagnie zuständig und kreieren auch weiterhin beide. László Velekei hat seit seinem ersten Stück „Elan“ (2007) nicht nur kurze Piecen wie z. B. „Romantik“ zu Kompositionen von Zoltán Kodály oder „Ein Flüchtling aus Warschau“ (beide 2017) geschaffen,  sondern auch einige abendfüllende Ballette in zeitgenössischer Tanzsprache – darunter „The Scarlet Letter“ (ebenfalls 2017, nach dem Roman von Nathaniel Hawthorne) oder „Anna Karenina“ (2019) sowie „GisL“ (2020, nach dem romantischen Klassiker zu Musik von Félix Lajkó), die vor allem in Ungarn gezeigt werden. András Lukács ist durch seine im Wiener Staatsballett aufgeführten Werke wie „Bolero“ (2012), „Movements to Strawinski“ (2017) oder zuletzt „Luminous“ (2019) bekannt. 

In der aktuellen Premiere sind „The Waves“ von András Lukács und „Mimi“ von László Velekei zu sehen. Beide Werke wurden bereits im September in Budapest bei einem Gastspiel des Győri Balett uraufgeführt, jetzt folgt die „Heimpremiere“ im Nationaltheater von Győr. Gyoer waves2

Seit András Lukács den Film „The Hours“ mit Nicole Kidman und Meryl Streep gesehen hatte, war er davon sehr beeindruckt – geht es darin doch um drei Frauen, deren Schicksal auf unterschiedliche Weise mit dem Roman „Mrs.Dalloway“ von Virginia Woolf verbunden sind. Die Person der Schriftstellerin hatte es ihm angetan – ihr tragisches Ende sehr berührt. So entstand zunächst „Whirling Pas de deux“ (2005), das er 2010 zu „Whirling“ erweiterte. In einer Weiterentwicklung formte er daraus das aktuelle Stück „The Waves“, in dem er sich mit dem Abschiedsbrief von Virginia Woolf an ihren Gatten Leonard und ihrem Freitod auseinandersetzt: 2017 entdeckte er die  Komposition "Three Worlds: Music From Woolf Works" von Max Richter: der Komponist hatte mit diesem Album Kompositionen aus der Partitur für das Ballett „Woolf Works“ von Wayne McGregor veröffentlicht. Die Schauspielerin Gillian Anderson (bekannt aus der TV-Serie „Die Akte“) liest hier den Abschiedsbrief.  Damit fand er – zusätzlich zu Philipp Glass – die passende Musik für sein Werk „The Waves“ und verbindet die drei Teile "Virginia – Voices – Waves" zu einem einstündigen Ganzen, setzt er Virginia Woolfs letzten Momente und den Freitod tänzerisch und szenisch um. Die Kostüme stammen ebenso von András Lukács; umgesetzt von Ildikó Tóthné Preisinger; sein Team wird vervollständigt durch Zsuzsanna Kara (Assistenz) und Dániel Dragos (Lichtdesign). Wenn Virginia im Stück wieder Stimmen hört, die sie verzweifeln lassen und in ihr der Entschluss zum Selbstmord reift, wird sie von Wellen umspült und in die Tiefe gezogen. Dieses tödliche Spiel der Wellen, die sich aufbauschen, bis der Blick unter Wasser gerät, die letzten Luftblasen aufsteigen und das Licht, das von der Oberfläche durchdringt, immer weniger wird, je tiefer man sinkt, wird nicht nur an der Bühnenrückwand im Video (von Glowing Bulbs) eingeblendet, sondern auch eindrucksvoll tänzerisch dargestellt. In der für Lukács typischen ruhig-fließenden, ästhetisch eleganten Bewegungssprache wird Virginia (Tetiana Baranovska) von einer Welle (Patrik Engelbrecht) erfasst und von den die Wassermassen darstellenden anderen sechs Tänzerpaaren in Wirbeln und  Umkreisungen umrundet, bis sie selbst zum Teil der Wellen wird. 

Gyoer Mimi1Nach der Pause folgte „Mimi“ von László Velekei. Seine neue Choreografie basiert auf Menyhért Lengyels Geschichte „Der wunderbare Mandarin“, veröffentlicht 1916. Hier geht es um drei Halunken, die das Mädchen Mimi zwingen, Freier anzulocken, die sie dann ausrauben und ermorden. Aus dem schäbigen Vorstadtzimmer transferiert László Velekei sein Werk in eine U-Bahn Station und siedelt sie im Drogen-Milieu an. Die skizzierte Handlung changiert zwischen Realität und Traum bzw. Drogenrausch um Mimi, das Objekt der Begierde. Statt der Komposition von Béla Bartók verwendet Velekei Musik  von Max Richter. Das Leading-Team mit Assistentin Zsuzsa Jónás, Gabi Győri (Ausstattung), Ferenc Stadler (Licht) und Alexandra Csepi (Dramaturgie) bringen ein sehr dichtes Stück auf die Bühne, in das auch der Orchestergraben als Abgrund einbezogen wird. Adrienn Matuza (Mimi); Daichi Uematsu (Mandarin), Richard Szentiványi (Freier) sowie Luka Dimic, Zoltán Jekli und Luigi Iannone als die drei Burschen sorgten mit ihrer packenden Darstellung für ein spannendes Tanzerlebnis. Gyoer Mimi2

Langanhaltender Applaus des Publikums für beide Piecen. Vor der Vorstellung bedankte sich Ballettdirektor Velekei bei Szabina Cserpák, die nach 27 Jahren ihre Karriere als Tänzerin im Ballett Győr beendet. Nach der Vorstellung  wurde Eszter Adria Herkovics der Audi Award “Minőségi Táncművészetért Díj” als herausragende Tänzerin verliehen – sie tanzte an diesem Abend im Wellenensemble in „The Waves“. 

Ballett Györ: "The Wawes", Ch:  András Lukács; "Mimi", Ch: László Velekei, Premiere am 13. November im Nationaltheater Györ. Weitere Vorstellungen am 18., 30. November, 1. Dezember, 18., 19., 21., 22. Jänner 2022

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