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IMMERSIONDer ewige Tanz um Sichtbarkeit. In Zeiten zehntausendfacher Likes und Shares in der virtuellen Welt von Facebook & Co., die sogar „natürliche Gruselclowns“ zu Präsidenten von Weltstaaten machen können, muss jede reale Leistung schon per se retro wirken. Martin Grubers aktionstheater ensemble, Nestroypreisträger 2016 für die beste Off-Theaterproduktion, tänzelt in „Immersion. Wir verschwinden“ im Werk X Eldorado an den menschlichen Abgründen.

Hoch hinauf, steil bergab. Beige Showtreppen liegen wie kleine Inselplattformen auf der sonst weißen Bühne. Es sind kleine Erhöhungen im Raum, zu denen diejenigen hinstreben, die gesehen werden wollen. Von einer Plattform im Hintergrund schickt Kristian Musser („Tanz Baby!“-Mastermind) seine charmant-reduzierten Retro-Beats durch den Raum, neben ihm kreist Sängerin Sonja Romei mit Schultern und Hüften - in rückenfreiem, beigen Glitzer-Strick.

Aufgeregt stürmt Michaela Bilgeri an die Rampe und echauffiert sich mit geröteten Wangen über einen drittklassigen Werbespot. Dieser habe binnen kürzester Zeit tausende Likes bekommen, während man am Theater wochenlang probe, um - ein enttäuschter Blick ins Publikum - hier zu landen. Schon drängen Martin Hemmer und Andreas Jähnert mit ihren Geschichten von Augenblicken kurzen Ruhms an die Rampe, gegenseitig versucht man sich zu übertrumpfen. Im Flugzeug über Afghanistan auf dem Weg nach Nepal, zum Himalaya, glaubte sich Martin als angehender Filmstar, von da an ging es nur noch bergab. Andreas hoffte mit seinen Gedichten auf einen poetischen Durchbruch, von FAZ und Bild–Zeitung ignoriert, sinkt die Hoffnung gegen Null.

Vom Leben und der Kunst. Martin Grubers choreografische Regie findet für jedes seiner, meist gesellschaftspolitischen Themen charakteristische Bewegungsmuster, die das Ensemble unaufhörlich repetiert. War es bei „Jeder gegen jeden“, das im Frühjahr 2016 uraufgeführt wurde, eine Art „Bauchkrampf-Verstopfungstanz“, so ist es diesmal ein Tänzeln, das vom Boden in die Höhe will, aber „oben“ keinen Stand findet. Auch mittels vergangener Hits erzählt das aktionstheater ensemble vom Leben, von der Kunst und der Schwierigkeit, mit Theater etwas zu bewirken. Dem drohenden Rechtsruck plant man mit einem Griff ins Komödienfach zu begegnen, was sich in der Geschichte schon bewährte, der Kulturpreis-Hype soll dabei helfen.

Wieder einmal schafft das aktionstheater ensemble brennende Themen unserer Zeit ganz aus Sicht seiner Akteure zu erzählen. So werden Individuen, mit all ihren Stärken und Schwächen, zum Schau- und Schlachtplatz für gesellschaftspolitische Entwicklungen. Das kann zuweilen herrlich politisch inkorrekt sein, aber es ist ehrliche Auseinandersetzung mit den Schattenseiten des Lebens.

Werk X-Eldorado: „Immersion. Wir verschwinden“ von Martin Gruber und aktionstheater ensemble, 24.11.2016. Weitere Vorstellungen: 06.,07., 09. und 10. Dezember 2016, www.werk-x.at

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