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semmimGrupo Corpo ist ein einzigartiges Phänomen. Nicht nur, dass das Ensemble, das von drei Brüdern geleitet wird, die ganze brasilianische Lebensfreude einfängt und an das Publikum weitergibt. Es verkörpert dafür auch einen singulären Tanzstil, der alle Strömungen des 20. Jahrhunderts mit der Farbigkeit der afro-brasilianischen Bewegungssprache verbindet.

Die Körper des etwa 20-köpfigen Ensembles scheinen knochenlos. Die Wellen, die sich durch ihre Torsi und Gliedmaßen entfalten, treffen auf  kein Hindernis. Und gleichzeitig reagieren die Muskeln unbeschreiblich schnell. Ich meine noch nie so flinke und leichtfüßige TänzerInnen gesehen zu haben, die sich im Ensemble so perfekt als ein Körper (der Name „Grupo Corpo“ ist aus gutem Grund in der Einzahl gewählt) über die Bühne bewegen.

Rodrigo Pederneiras ist der Choreograf, der seit nunmehr 36 Jahren das künstlerische Repertoire der von einem Bruder Paul gegründeten Gruppe bestimmt. Auf der Such nach einem eigenen Ausdrucksstil hat er das klassische Ballett aufgebrochen und mit afro-brasilianischen Bewegungen und Elementen des Samba, Bossa Nova, Xaxado oder Capoeira aufgepeppt. Und zwischendurch schunkeln die Paare auch schon einmal zum leutseligen Rhythmus des Forró. Gute Laune pur.

Das Programm, das die Gruppe nach St. Pölten brachte, umfasste zwei Arbeiten, die im Abstand von etwa 15 Jahren entstanden und zeigte damit die konsequente Entwicklung des eigenständigen Stils dieser außergewöhnlichen Truppe. Für das kongeniale Lichtdesign und Bühnenbild zeichnet Paul Pederneiras verantwortlich, technischer Leiter ist Bruder Pedro.

Ausgangspunkt für Pederneiras Choreografien ist immer die Musik. Für „Sem Mim“ (2011) haben Carlos Nuñez und José Miguel Wisnik auf Grundlage der mittelalterlichen Lieder des nordspanischen Komponisten Martín Codax einen Score kreiert. Diese Lieder erzählen vom Leben am Meer, von Liebe, Abschied, Trauer und Freude, die choreografisch in atmosphärische Bilder übersetzt  werden, die diese Stimmungen berührend vermitteln, und gleichermaßen die lasziven und stürmischen Bewegung der See in dem Tanzkörper reflektieren. Die Kostüme von Freusa Zechmeister sind Ganzkörpertrikots, die mit ihren mittelalterlichen Ornamentik wie Tatoos aussehen.parabelo

Die Kostümbildnerin Freusa Zechmeister ist seit dreißig Jahren ständiges Mitglied des „Familienunternehmens“ Grupo Corpo. Ihre körperbetonten Trikots, bunten Röcke und Hosen vermitteln in „Parabelo“ (1997) ein lebendiges Bild brasilianischer Kultur mit speziellem Augenmerk auf den trockenen Sertão in Landesinneren. Auf dem Hintergrundprospekt ist ein Gebäude mit Szenen aus dem ländlichen Leben zu sehen, das an die Gebäude, die im traditionellen, brasilianischen Kunsthandwerk gefertigt werden, erinnert. Für die Musik hat José Miguel Wisnik mit dem bekannten Liedermacher Tom Zé zusammengearbeitet und eine Collage aus Tropicalia-Pop, Traditionals und postmodernen Sounds kreiert.

Die geschickten Arrangements von Rodrigo Pederneiras scheinen sich nie zu wiederholen, obwohl in beiden Stücken die homogenen Gruppenszenen überwiegen und jeweils ein großartiger Pas de deux den zentralen Platz einnimmt. Aber es ist die Vielfalt des Bewegungsrepertoires, die mitreißenden Rhythmen, die Lichtstimmungen und die einzigartige Verbindung zwischen brasilianischer Folklore und Gegenwartstanz, die die Grupo Corpo zurecht zu Weltruhm gebracht und Rodrigo Pederneiras zu einem international gefragten Choreografen gemacht hat.

Grupo Corpo mit "Sem Mim" und "Parabelo" am 8. Mai im Festspielhaus St. Pölten

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