Die junge, vielseitige Künstlerin Thora Hohberg bietet trotz vielmehr wegen des Gegenwinds drei Wochen lang einen Ort der Begegnung, einen des künstlerischen Austauschs: das Festival "Zelte der Brandung". Allen im Bereich der freien Darstellenden Kunst, allen, die ihre Kunst-Horizont erweitern wollen. Das Bühnenprogramm setzt sich zusammen aus Tanz-, Theater-, Zirkus- und Performance-Stücken sowie Jams; das Workshop-Programm gewährt Einblicke in Arbeitsweisen, offeriert ein Voneinander-Lernen im Miteinander.
Dass Kunst von Können kommt und vor allem auch vom „Nicht-anders-Können“ als sich künstlerisch auszudrücken, beweist Hohberg nicht nur mit ihrer engagierten und überaus mutigen Festival-Initiative, sondern ebenso bei ihren spartenübergreifenden Auftritten. Zum Festival-Auftakt war dies bei der erweiterten, aber auch jetzt noch nicht abgeschlossenen Fassung der im August vorgestellten Arbeit “MurMelnde WasserFallen // Raumen2 – Ein Hier ist Andernorts” zu erleben. Schon in diesem Duo mit Lena Eigner vermittelt sich die Kraft, die im unbändigen Etwas-Sagen-Wollen und -Können liegt. Umgesetzt in einer gleichermaßen verwurzelten wie energiegeladenen Körpersprache, die weder Wiederholung noch Minimalistisches scheut und auch den Mut zur Ruhe, zu Ruhigem hat. „Liebe Wände, hört zu, haltet den Atem an“ lautet einmal der immer wieder eng mit dem Performativen verschränkte und einerseits selbst gesprochene oder eingespielte Text. Ein andermal: „…so still, dass ich mich viel zu laut hören kann“. Gedankenscherben, die berühren. So wie die mannigfaltige Suche nach der Verortung des eigenen Ich, und die nach seinen Grenzen.
Am Ende steht die Auslöschung des Ist-Zustands, des bislang Gegebenen, um dem notwendig Neuen Platz zu machen – ein Aufbruch also, der zwar schmerzvoll, aber doch erlösend ist; bietet er sich doch voll von bislang ungenützten Potentialen, die allerdings ergriffen werden müssen.
Eben diese aktuell besonders wichtige Thematik rankt auch um und im Solo Thora Hohbergs „Vom Finden eines Buches, bedruckt mit Ungeschriebenem“. Idee, Choreografie/Regie, Performance, Bühnenbild/bau, Kostüm, Soundtrackts, Texte: die Solistin.
Ihre Hauptmaterialien für ein Stationen-Bühnenbild der außergewöhnlichen Art sind Totholz, Seile und Buchseiten, Lichtpunkte und Dunkelheit. Angezogen von (ihrem) ‚Sirenengesang öffnet sich dem Publikum zwar kein Raum des Verderbens aber einer, der sich hinter der (Theater-Eingangs) Tür in Dunkelheit verbirgt, ‚neu‘ ist. Sein Erkunden erfordert Mut – DARE steht in Blockbuchstaben auf einem Zettel – und Aktion – PRESS lautet die Anleitung dazu (einen Handybutton betreffend). Die dergestalt provozierte Verunsicherung hält an beim in Dunkelheit Umschreiten des hinter Vorhängen verborgenen Bühnenraums, erhöht die Aufmerksamkeit: für die zwischen den Gehenden sich schlängelnde Solistin, für eine, die am Boden, am Ende ist, sein mag, aber doch auch für eine immer noch Suchende – nach dem Anderen, nach einem Du. Sie fordert auf, regt in dieser ebenso vielschichtigen wie interpretationsoffenen Performance -Installation an, sich dem Unbekannten, dem Herausfordernden mit Kraft und Offenheit flexibel und mit all seiner individuellen Erfahrung zu stellen.
Die Perspektivenvielfalt der kreativen Stationen ist gleichermaßen faszinierend wie die nach der Pause im offenen Theaterraum. Immer mehr an Aktion, an er-forschender Bewegung, an Zwiespalt zwischen Angst, Hoffnung, Erfüllung, Enttäuschung und beglückender, ja tänzerischer wie akrobatischer Leichtigkeit ist zu erkennen, wird erfahrbar. Die Künstlerin lässt mit Bühnenpräsenz, sensibler Ausdrucksstärke und einem hoch individuellen, gekonntem Bewegungs-Repertoire eine breite, selten zu erfahrende Emotionspallette zwischen ihren Fantasiegebilden nachhaltig aufflackern, entdecken. Um, konsequenterweise, schlussendlich sich explosionsartig von allem bisherigen – einem „Kleid‘ aus Buchseiten – zu befreien, um als neuer Mensch einen hochnotwendigen, einen neuen Anfang zu wagen. Außergewöhnlich.
Festival: Zelte in der Brandung, 6. bis 28.September 2025: „MurMelnde Wasser“ am 6. September, „Finden eines Buches“ am 13. September im Theaterhaus Graz