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icon AnnaKonjetztkyAus Münchens freier Tanzszene ist Anna Konjetzky nicht mehr wegzudenken. Hier im Kreativquartier hat sieschon seit einigen Jahren ihr eigenes Studio namens Playground, das die Choreografin immer wieder auch mit ausländischen Künstlern in residence spartenübergreifend bespielt oder kollektiv Ausstellungs- bzw. Austauschformate produziert. Hat man eines ihrer Werke verpasst, darf man häufig auf eine Wiederaufnahme hoffen.

Als eine der ganz wenigen Freien verfügt Konjetzky mittlerweile über ein regelrechtes und gastspielerprobtes Repertoire. Möglich wird das, weil sie die technisch oft mobilen und meist eng in die Choreografien einbezogenen Bühnenbauten selbst einlagert. Für ihre in der rigiden Zeit der Lockdowns entwickelte Münchner Kammerspiele-Solo-Produktion „Über die Wut“ wurde soeben Sahra Huby – Konjetzkys langjährige kreative Mitstreiterin und famose Interpretin in jedem ihrer Stücke – als „beste Darstellerin Tanz“ für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST nominiert. Richtig so!

In „hope/less“, Konjetzkys neuestem Stück, ist Sahra Huby neben Daphna Horenczyk, Quindell Orton und Jascha Viehstädt eines von insgesamt vier individuell starken Kettengliedern, deren Hände, Flanken oder Fußsohlen sporadisch gern miteinander in gegenseitigen Kontakt treten. Besonders daran ist, dass das kletterlustige Performer-Team ein auf vier schmalen Gerüstpfosten in die Höhe ragendes Quadrat bespielt. Oben, einige Meter über dem Boden, sorgt ein Haltenetz aus Autogurten für eine gefährlich wackelig-löchrige Spielfläche.2 AnnaKonjetztky

An den Säulen unten dran befinden sich kleine Rollen. Man bemerkt das eigentlich erst, als einer der Tänzer Anlauf nimmt, sich affenartig an die Querstreben schmeißt und dann turnerisch ambitioniert daran herumhangelt. Ein schöner Moment, der zusätzlich Schwung in die passagenweise viel gefühlige Introvertiertheit und perfekt einstudierte Slow Motion aufbietende Performance bringt. Da nämlich gerät das gesamte Stangenkonstrukt mitsamt den teils darin verkrallten Interpreten so plötzlich selbst in Bewegung, dass sogar dem Zuschauer, der bis dahin die balancierenden Künstler in stabiler Sicherheit vermutet hat, quasi der Boden unter dem Sitz wegzurutschen scheint und ihn – einen optisch irritierten Augenblick lang – ein kurzer Schwindel erfasst. 

3 AnnaKonjetztkyMit wundervoll biegsamem Drive und selten nur unisono trägt das bei aller Abstraktheit umsichtig aufeinander eingehende Interpreten-Kleeblatt die einstündige Performance aus risikowilligem Wagemut und Momenten emotional hilflosen Frusts. Thematisch passt die Produktion wie die Faust aufs Auge zu den mehrfachen,verzahnten, sich derzeit global ausbreitenden Problemhorizonten. Wenig zur Sache tut es, was im Detail genau an persönlichen Einschätzungen die im Vorfeld interviewten Frauen und Männer, deren Stimmen das Publikum gleich zu Beginn und fortan in unregelmäßigen Abständen aus dem Off zu hören bekommt, um das Wort „Hoffnung“ sowie deren Abwesenheit herum vorbringen. Uns mal mobilisierende, mal hemmende Zukunftsängste- bzw. wünsche haben wir letztlich ja alle.4 AnnaKonjetztky

Man kann in Anna Konjetzky eine Provokateurin sehen, der es um Werte geht. Egal, ob ihre choreografischen Arbeiten radikal-explosiv sind wie ihre Recherche zur Wut, oder in der Art und Weise der Ausdrucksmittel wesentlich zurückgenommener. Letzteres ist bei „hope/less“ der Fall. Auch hier gelingt es ihr – ausgehend von an sich klaren physischen bzw. emotionalen Phänomenen – Prozesse des Nachdenkens in Gang zu setzen. Ihr Mittel hierzu ist fein inszenierte Körperlichkeit. Schlicht und einfach wirkungsvoll.

Anna Konjetzkys: „hope/less“, Uraufführung am 27. September in der Münchner Muffathalle