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lizkingWer Bühnentanz mit jungen, frischen Körpern und zirzensischer Virtuosität gleichsetzt, wurde am dritten Abend der heurigen Ausgabe von Österreich TANZT eines Besseren belehrt. Mit „Richtungswechsel“ gelang der vierzehnköpfigen Age Company ein eindrucksvolles Debut, und in dem Solo „Your Dancer.“ kehrt die 62jährige Liz King mit einem starken Statement auf die Bühne zurück.

Ports de bras, pliés, relevés, tendues – das klassische Vokabular sitzt der ehemaligen Ballerina einfach im Körper. Nach und nach weicht es geraden Linien, mit denen die Tänzerin den Raum durchmisst. Immer präzise, kontrolliert, souverän. Oder doch nicht? Ein kurzer Moment, in dem sie ihren Körper mit den Armen umschlingt, ein anderer, als ihre Arme den Kopf verbergen. Immer drastischer werden die Gesten, mit denen sie sich zu verstecken sucht – bis sie schließlich den Kopf in die Hose steckt und ganz klein wird. Momente der Flucht vor einer alltäglichen Realität? Der Körper altert, die Balancen werden unsicher, die Leichtigkeit der Jugend wird zur Erinnerung.
In ihrem äußerst reduzierten Solo erzählt Liz King ihre Lebensgeschichte – die (psychologische) Interpretation bleibt dem Betrachter überlassen. Der Kraft der Emotionen, die die Ausnahmekünstlerin hier übermittelt, kann sich der Zuseher allerdings nicht entziehen. Mit ungebrochener Bühnenpräsenz erzählt King von Furcht, Trauer, Bedauern, vom Kampf mit sich selbst, aber auch vom Annehmen des heutigen Ichs und damit von der Anerkennung des für Tänzer besonders schmerzvollen Prozesses des Alterns.
In Georg Blaschke hat die Tänzerin und Choreografin, die nie aufgehört hat zu tanzen, auch wenn sie schon lange nicht mehr auf der Bühne gestanden ist, einen kongenialen künstlerischen Partner gefunden, der ihre Bewegungserinnerungen in eine stringente Struktur gegossen hat – unterstützt vom akzentuierten Soundtrack von Ulrich Troyer. Blaschke hat aus der Beobachtung heraus agiert. „Your Dancer.“ ist das Solo von Liz King mit ihrem Bewegungsvokabular und ihrer Geschichte. Dass daraus ein Meisterwerk geworden ist, das in der (österreichischen) Tanzwelt einzigartig dasteht, ist aber dem gesamten Team zuzuschreiben.

Nach diesem nachdenklich stimmenden Solo von Liz King, beleuchtete die Age Company in „Richtungswechsel“ eine ganz andere Ebene des „Seniorentanzes“: Die vierzehn Frauen haben unter der künstlerischen Leitung der Choreografin Nicole Berndt-Caccivio den Vorurteilen über ältere Menschen einiges entgegenzusetzen. In unterschiedlichen Szenen verwandeln sie sich in krawatten-tragende Business-Typen mit Macho-Gehabe oder in laszive, bunt gekleidete Paradiesvögel, bei denen Sex und Rock’n’Roll nicht nur in der Erinnerung lebt. Herausfordernd, angriffslustig, forsch und frech sind sie. Von Bescheidenheit, Zurückhaltung und Weisheit – Eigenschaften, die den Alten so gerne zugeschrieben werden - keine Spur.
Die Frauen agieren aber nicht nur tanzend, witzig und schwungvoll ihre eigene Lebenslust aus. Die Age Company ist in eine Reihe von Initiativen eingebettet, die auf verschiedenen Ebenen das Phänomen einer alternden Gesellschaft erforscht, etwa in der Arge Region Kultur oder in dem von Nora Aschacher und Elisabeth Nöstlinger gegründeten Think Tank „alters.kultur“. Denn: „... der künftige Wohlstand wird auch von der Kreativität und Innovationsfähigkeit der älteren Generation abhängen.“ (www.alters.kulturen.cc)

Der Abend bei Österreich TANZT gab jedenfalls einen spannenden Einblick in das enorme Potenzial der „jungen Alten“.

Liz King: "Your Dancer.", Age Company: "Richtungswechel", Österreich TANZT, 28. Mai 2010 im Festspielhaus St. Pölten

 

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