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Faust3Zu Saison-Beginn bietet man im Volkstheater mit Goethes „Faust“ eine Ikone klassischer Dramenliteratur in postdramatischer Aufbereitung, inszeniert vom Intendanten Kay Voges. Die vielen großen Themenkomplexe dieses Werkes werden auf einige wenige verengt, die dafür sehr technikverliebt zelebriert werden. Den Abend dominieren Fotografien als Projektionen live aufgenommener Schnappschüsse und deklamatorisches Sprechen. Ein konzeptuell interessanter Ansatz, der aber ästhetisch nicht mithalten kann und trotz zeitlicher Verdichtung langweilig wird.

Der ganze „Faust. Der Tragödie Erster Teil“ steht im Zeichen der Dialektik von zum Beispiel gut und böse, Licht und Dunkelheit, Magie und Wissenschaft, Verstand und Leidenschaft, Körper und Geist, Natur und Kultur, Bewegung und Dauer. Der legendenumwitterte Doktor Faustus befindet sich im Zentrum dieses Gefüges, jedenfalls solange er den berühmten „Augenblick“ nicht zum verweilen auffordert, wie sein Pakt mit Mephistopheles vorsieht. Dies würde bekanntlich sein sicheres Ende bedeuten.Faust1

Voges nimmt den Antagonismus von Bleiben und Gehen zum Anlass für ein Medientheater und implementiert die Fotografie als technisches Verfahren ebenso wie als philosophisches Brennglas, um in den festgehaltenen Bildern zu hinterfragen, ob der Moment der Veränderung bereits sichtbar sei. Das Publikum wird gleich zu Beginn an diese Methode herangeführt, wenn der unsichtbar agierende Fotograf Marcel Urlaub in die Zuschauer*innenreihen fotografiert. Zwei Sekunden später sind diese Aufnahmen von sich selbst betrachtenden Menschen auch bereits am riesigen Screen der Bühnenhinterwand zu sehen. Das geht so einige Male, und nach dem Publikum sind es die Akteur*innen, die derart verweilen müssen. 

Faust4Auf der Bühne befindet sich auch ein begehbarer Kubus, der als Dunkelkammer eingerichtet ist. Darin werden Fotos live geschossen und projiziert, aber auch vorbereitete, wie etwa von den multiplen Faust-Figuren (Andreas Beck, Claudio Gatzke und Frank Genser) und Gretchen-Figuren (Hasti Molavian, Lavinia Nowak, Gitte Reppin und Friederike Tiefenbacher). Diese Fotos sollen die Liebesnacht von Faust und Gretchen zeigen, lassen aber aufgrund der mitgenommen wirkenden Aufgenommenen in ramponierter Kleidung und mit verwischter Schminke eher an eine heftige Party-Nacht mit Drogen und Alkohol denken. Vervielfacht ist auch die Figur des Mephistopheles (Lavinia Nowak, Uwe Rohbeck, Gitte Reppin).  Faust2

Sie alle interagieren auf der Bühne nicht miteinander, sondern deklamieren mit mikrofonverstärkten Stimmen frontal ins Publikum. Das klingt phasenweise fast unmodern, wenn etwa Faust Andreas Beck den ersten Monolog spricht. Voges montiert auch einige Szenen aus dem zweiten Teil von „Faust“ in die Textfläche, die ihm dramaturgisch wohl wichtig erschienen sind, ebenso wie Musiknummern (Paul Wallfisch). Die Kostüme sind schrill und eine Mischung aus Straßenkleidung, Seventies-Style und Gangsta Rapp (Mona Ulrich) und verstärken eher den insgesamt sehr unsinnlichen Eindruck dieser Inszenierung. Zwar geht es augenscheinlich nicht um eine Verhandlung von Schönheit in Voges Arbeit, aber trotzdem bleibt trotz spannenden konzeptuellen Ansatzes eher die Bewunderung der tollen neuen Technikanlage des Volkstheaters zurück als eine tiefergehende Idee zum Faust-Komplex. Da hilft auch der letzte Ausspruch Fausts nicht: „Mehr Licht“.

„Faust“, Premiere am 24. September im Volkstheater Wien. Weitere Vorstellungen am 2., 15., 19, 30. Oktober, 6., 10., 25. November