Blutiges Horrorfilm-Musical. Das Märchen Reineke Fuchs, vom jungen belgischen Kollektiv FC Bergman mit Livemusik von Liese Van der Aa und dem Solistenensemble Kaleidoskop, als Horror-Kammerspiel mit filmischen Elementen erzählt, ist nichts für sensible Gemüter.
Im Wiener Odeon feiert die mittelalterliche Fabel vom schlauen Fuchs mit „Van den vos/Von dem Fuchs“ ihre bluttriefende Wiedergeburt in schaurigen Filmbildern mit expliziter Gewalt. Daneben verblassen die Dialoge über Recht und Unrecht, Schuld und Sühne als reine „Begleitmusik“ für die detailverliebt inszenierten Gemetzel in Großaufnahme.
Vier Personen sitzen dicht gedrängt in einem schlammgrünen Trabant auf der Bühne und moralisieren. Der Ermittler, Isegrim Wolf (Dirk Roofthooft), lamentiert über den Gesetzesbrecher Reineke Fuchs, der seine Frau und sein Kind geschändet hat. Er möchte Recht erzwingen. Eine Lady in wuchtigem Pelz (Viviane de Muynck), nebenbei schmusend mit ihrem jungen Geliebten, sieht weniger die grausame Tat, als die wohl dahinterstehende Wollust, die die Tragödie auslöst und das Unbewusste zum Bösen führt. Die Gesichter der im Auto Sitzenden werden auf eine durchsichtige Glasfront projiziert, hinter der die „Wildnis“ grün wuchert und der grausame Fuchs sein Unwesen treibt und tötet.
„Von den Vos“ erzählt von bürgerlicher Scheinmoral und der steten Verführung durch das Böse. „Das Böse hat zur Erhöhung der Spezies beigetragen“, sagt Viviane de Muynck, am Pool sitzend und dekadent an ihrem Cocktail nippend. Das bezweifelt man, als das Stück von namenlosen minderjährigen Mädchen zu erzählen beginnt, deren einziges Begehr zu sein scheint, alte Männer zu verführen. Sich dabei in durchsichtigen, nassen Kleidchen vor ihnen zu räkeln und auf deren Wunsch noch darum zu betteln, von ihnen zur Hure gemacht zu werden. Wolf Isegrim widersteht der Versuchung – leider erst nach minutenlanger monologischer Publikums-Malträtierung (einige verlassen dabei den Theaterraum) - und das Mädchen läuft in den Wald. Dort gibt es sich dem Fuchs hin, der sich nicht mit verbalen Attacken begnügt. Er beißt ihm, beim Liebesakt, in Großaufnahme, Stücke aus dem Gesicht. Spätestens dann ist der Moment gekommen, in dem man sich ernsthaft Sorgen um junge Menschen zu machen beginnt, die in ihrer Sozialisation vielleicht mit einschlägigen Filmen alleine gelassen werden.
Der Horrorfilm feiert im Kino fröhliche Urständ, nun bringt ihn der Theaternachwuchs auch auf die Bühne. FC Bergman toben sich mit Gewaltszenarien aus und Theaterautor Josse De Pauw bietet den intellektuellen Background und noch manch Abgründiges dazu auf.
Auch eine erfrischend neue Kombination von Stilmitteln und Theatereffekten, die man dem Kollektiv nicht absprechen kann und ein großartiger Cast, wie die Grande Dame des Theaters Viviane De Muynck oder Dirk Roofthooft, lassen die sich mächtig aufdrängende Sinnfrage nicht verstummen. Gute Ideen, schöne Bilder, intellektuelle Reden und explizite Gewaltdarstellungen reichen leider nicht für einen gelungenen Theaterabend.
„Van den vos / Von dem Fuchs“ FC Bergman, Liesa Van der Aa, Solistenensemble Kaleidoskop, Josse De Pauw vom 14. 5. 2014, im Odeon, www.wienerfestwochen.at . Weitere Vorstellungen 15., 16., 17. Mai