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tableauxvivantsRoland Rasuchmeier / Anne Juren haben im Verein mit dem Komponisten Johannes Maria Staud ein Wunder zustande gebracht: In „Tableaux Vivants“ wird die Theorie zur Praxis, das Abstrakte zum Konkreten, das Unsichtbare sichtbar. Es scheint ganz einfach zu sein, hypothetisch Gedachtes, mathematisch Errechnetes in eine so erlebnisreiche wie für Hirn und Auge fassbare Performance zu übersetzen.

Es ist finster, es ist still, die Spannung steigt. Ganz leise erklingt ein Zirpen, ein sanftes Klingeln, dann löst sich ein Mensch aus dem Dunkel, zündet ein Feuer an, doch das wärmt nicht, es ist nur ein Bild auf einem Display. Der unheimlich Wald in dem wir uns befinden, wird lebendig. Sträucher wandern über die Bühne, aus dem Gebüsch kriechen Gestalten, erstarren in der Bewegung wie die alten Äste die sie wie Standarten hoch halten. Die Leblosen werden von den anderen herum getragen, umgeformt, abgestellt. Das Dunkel lichtet sich nur schwach, die Szenerie bleibt unheimlich, ein Tier, ein Fabeltier taucht auf.

Vorhang, Blackout

Die nächste Szene, wie die folgenden, ist in helles Licht getaucht, die Musik von Johannes Maria Staud (gespielt vom Ensemble PHASE unter Simon Pironkoff) wird präsenter, aber niemals penetrant. Sie fällt nicht auf, macht sich nicht wichtig und ist doch dauernd da, ein Teil des Abends, wie die Tänzer und Tänzerinnen (Alix Eynaudi, Eun Kyung Lee, Pasi Mäkäle, David Subal sowie die beiden für das Konzept Verantwortlichen Anne Juren, Roland Rauschmeier)  und die Gegenstände, hauptsächlich Bilder von Martin Guttmann. Und doch ist nichts eindeutig und geordnet, nichts steckt in Schubladen, alles ist wandelbar, verändert sich in spannender Ästhetik. Die Bilder werden lebendig, bekommen Arme und Beine, werden zu Individuen oder wandeln sich zu Videoscreens. Geheimnisvolle Gestalten, Männer, Frauen werden zu Puppen, zu Skulpturen, zu Tableaux vivants, lebenden Bildern.

Und immer wieder ein Blackout dazwischen.

Roboter von einem anderen Stern wackeln durch einen Baumarkt, Pinocchio rennt im Kreis, zerrt an den Nerven, bis er endlich erschöpft umfällt. Die gezeigten, umhergetragenen, aufgestellten, gekippten Bilder scheinen eine Reise durch die Kunstgeschichte hinter sich zu haben. Der Effekt des  Déjà vu  verführt zum Träumen, doch Musik und Bewegung holen mich wieder zurück auf die Bühne auf der Unerwartetes und auch Unvorstellbares zu sehen ist.

Mit diesem Konzept aus Objekten, Performance (Kostüme: Lise Lendais), Musik und Licht (Martin Schwab) werden verkrustete Vorstellungen gelockert, festgefahrene Sehwiesen verändert, Grenzen verschoben, Kategorien aufgelöst. Die Dinge gewinnen Leben, das Leben erstarrt zur Form. Eine Idee ist greifbar, eine Gedankenkonstruktion sichtbar geworden.

Nach dem heftigen Applaus hält der Maler Martin Guttmann eine kleine „Lecture Performance“. Von der habe ich nichts verstanden, weil Guttmann (lebendig) gegen sich selbst (auf einem Video) anredet. Ein Satz aber ist (ungefähr) geblieben: „Über ein Element in den Kategorien eines anderen sprechen.“ Das war mir schon vorher klar.

Dass diese Tableaux Vivants nur drei Mal im Tanzquartier aufgeführt wurde, ist pure Verschwendung. Nicht nur eine der Ressourcen, der Bühneninstallation und der so herrlich integrierten Musik sondern vor allem der Idee und des Konzepts von Anne Juren und Roland Rauschmeier. Wiederaufführungen sind mehr als erwünscht, sie sind notwendig.

Anne Juren, Roland Rauschmeier, Johannes Maria Staud: Tableaux Vivants, gesehen im Tanzquartier am 11. November 2011.

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