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Asa onlineWährend des Corona-Lockdown sorgten ein umfangreiches Kulturprogramm sowie praktische Tanzangebote für unser seelisch-körperliches Gleichgewicht. Doch wie erging es TänzerInnen, die mit Menschen aus sogeannten "Risikogruppen" arbeiten? Tanz.at fragte bei ExpertInnen nach, die ihre Tanzaktivitäten speziell im Gesundheitskontext anbieten. Einige von ihnen werden ihre Erfahrungen auch beim Webinar „Home Alone – Dance Together“ im Juni vermitteln.

Der Zusammenhang zwischen Kunst, der (mentalen) Gesundheit des Individuums und der Gesellschaft ist seit Urzeiten bekannt und wurde kürzlich auch im wissenschaftlichen Kanon der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgenommen. Doch wie funktioniert dieses Zusammenspiel im virtuellen Raum bei Menschen, die etwa an Parkinson erkrankt sind oder SeniorInnen, die mit der digitalen Technologie vielleicht wenig vertraut sind? Wie kann man in Zeiten des Social Distancing den direkten Kontakt, die haptische Erfahrung stimulieren? Denn wie die WHO-Studie „What is the evidence on the role of the arts in improving health and well-being? A scoping review“ zeigte, spielt der Tanz besonders in dieser Beziehung eine künstlerisch heilende Rolle (siehe auch "Tanz ins Wohlbefinden" auf tanz.at).

David Leventhal (USA), Andrew Greenwood (NL), Clare Guss-West (CH), Emily Jenkins (UK), und Iva Rohlik (AT) haben sich diesen Fragen gestellt und unterschiedliche Antworten darauf gefunden. Alle sind sich jedoch einig: das virtuelle Tanzen ist mittlerweile keine Krisenbewältigung mehr, sondern wird auch nach der Corona-Zeit, wenn man sich wieder treffen und live miteinander tanzen kann, als eigenständiges Format erhalten bleiben bzw. ausgebaut werden. Der Tanz ist es also definitiv im digitalen Zeitalter angekommen.

David onlineDavid Leventhal: Dance for PD®

Dance for PD® ist ein Programm der Mark Morris Dance Group in New York. Der Tanz für Menschen, die an Parkinson erkrankt sind, ist eines der Fallbeispiel im WHO-Report. Seit vier Jahren streamt Dance for PD® bereits eine Klasse pro Monat und stellt sie online. „Das war aber nicht interaktiv“, erklärt der Programmdirektor David Leventhal, denn die TeilnehmerInnen am Bildschirm konnten lediglich Kommentare schreiben und nahmen oft wegen der Zeitunterschiede nicht live teil.

Seit März bietet Dance for PD® tägliche Klassen auf der interaktiven Plattform Zoom, und nützt anschließend für den gegenseitigen Austausch das Breakout-Feature, um in Gruppen von fünf bis sechs Personen eine Art „Kaffee und Kuchen“-Situation zu schaffen, „die nach der Stunde entsteht, wenn die TeilnehmerInnen in kleinen Gruppen zusammensitzen und quatschen.“ Dabei sind Freundschaften entstanden mit Menschen aus der ganzen Welt, die sich sonst nicht getroffen hätten.DancePD

Das Interesse ist überwältigend. Während in den live-Stunden in New York 25 bis 60 TänzerInnen im Studio sind, nehmen 50 bis 140 Menschen an den online-Klassen teil. Für Menschen, die keinen Zugang zum Internet haben, bietet Dance for PD® außerdem telefonische Tanzmodule.

David Leventhal hat seinen Unterricht an die virtuelle Umgebung angepasst. Komplexität ist ein Thema, denn „es ist sehr schwierig für mich zu sehen, wie die Menschen die Choreografie oder die Improvisationsidee umsetzen. Im Allgemeinen müssen die Konzepte und Bewegungen einfacher sein. Wegen der natürlichen Verzögerung oder dem Einfrieren auf Zoom muss ich auch mehr Wiederholungen machen.“

Finanziell ist das Progamm durch Förderungen der öffentlichen Hand und privater Organisationen zur Zeit noch geschützt, doch wie argumentiert David Leventhal das Dance for PD®-Programm in Zeiten einer viralen Pandemie, in der es andere Prioritäten im Gesundheitsbereich gibt?

DAvid„Vor dieser Corona-Pandemie haben Neurologen von einer Parkinson-Pandemie gesprochen, denn in den nächsten 20 Jahren wird sich die Zahl der Parkinson-Kranken in der Welt verdoppeln. Wir sehen generell eine starke Ausbreitung neurologischer Krankheiten, und Parkinson im Besonderen. Wir wissen aus der Forschung, dass dieses Tanzprogramm die Lebensqualität und Mobilität für diese Menschen über einen langen Zeitraum stabil hält und damit die Belastung für das Gesundheitssystem verringert. Wenn das Gesundheitssystem durch Covid19 an seine Grenzen kommt und enorme Kosten verursacht, dann ist es ein Vorteil, wenn Parkinson-Patienten es nicht brauchen, die in mehrfacher Hinsicht gefährdet sind. Außerdem sind die psychischen Probleme, die durch die Isolation, durch Einsamkeit entstehen für jeden nachteilig, aber besonders für ältere Menschen. Der Zusammenhang zwischen mentaler und körperlicher Gesundheit ist erwiesen, und wir brauchen die Kunst jetzt mehr denn je zur Unterstützung, um aus dieser sozialen Isolation herauszukommen. Für die psychische Volksgesundheit ist der Wert von Tanz unglaublich hoch. Dieser Art von Erfahrung, bei der Menschen sich verbinden, ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln, oder einfach die momentane Stimmung verbessern, sind wesentliche Ressourcen, speziell für ältere Menschen, die für die absehbare Zukunft zu Hause festsitzen, auch wenn die Maßnahmen gelockert werden.“

https://danceforparkinsons.org

Andrew OnlineAndrew Greenwood: Im „Flow“ sein

Adaptionsfähigkeit ist für Andrew Greenwood das Schlüsselwort in dieser Krise geworden. In seiner Doppelfunktion als Ballettmeister und Leiter von Tanzaktivitäten mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen war er, wie er sagt, bisweilen rastlos von einem Ort zum nächsten getrieben. „Ich lief Gefahr, keine Ruhezeiten mehr zu haben“, sagt er, und nimmt sich vor, auch in Zukunft weniger zu reisen.

Seit März war jedenfalls auch er an seinen Wohnort gebunden und hat von dort online-Angebote sowohl für professionelle BalletttänzerInnen als auch für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen eingerichtet. Gab es vor dem Lockdown sechs Stunden pro Woche an verschiedenen Orten in der Region von Tilburg in den Niederlanden, so finden nun von Montag bis Freitag virtuelle Einheiten mit seiner Organisation Switch2Move statt. Einige der TeilnehmerInnen nützen nun die Chance, täglich zur Tanzstunde zu kommen.

Man müsse einen völlig unterschiedlichen Ansatz verfolgen, meint Andrew. „Ich unterrichte nicht mehr, sondern biete eine Erfahrung, und diese Erfahrung ist sehr persönlich. Die TänzerInnen sind in ihrem Zuhause und sie müssen in eine andere Zone gehen, und diese Zone ist der „flow“, ein Kontinuum. Ich spiele beim Ballett Trommelmusik, die sowohl für plié, tendue oder rond de jambe funktionieren. Ich mache immer die gleiche Übung, aber mit unterschiedlicher Dynamik.“ Ähnlich ist das mit TänzerInnen mit Parkinson oder MS, die in Andrews Stunden auf eine Reise mit Musik gehen, die unmittelbar die Emotionen anspricht – etwa von der Mondscheinsonate bis zu „Pretty Woman“.Andrew Museum

Um die soziale Nähe zu kompensieren ist es wichtig, die Bewegungen zu verbalisieren. Die TeilnehmerInnen müssen daran erinnert werden, dass sie mit ihrem Körper sprechen, dass sie sich ausdrücken. „Du must eine Umgebung schaffen, in der sie sich sicher fühlen und in der sie tun können, was sie wollen.“ Und auch er geht als Lehrer in diesen Zustand des Fließens. „Je mehr ich in meinem Flow bin – und ich bin super egoistisch – und zu ihnen und zu mir spreche, desto besser klappt die Kommunikation.“ Denn es gibt jetzt keine Berührung, keine nonverbale Kommunikation mit kleinen Gesten, sondern nur noch verbale Anleitungen und die gemeinsame Erfahrung. Aus dem Training wird eine „dancing meditation“.

„Es ist so interessant mit Zoom zu arbeiten. Plötzlich bist du bei den TänzerInnen zu Hause, eine ist in der Küche, eine andere auf dem Balkon, eine Katze spaziert vorbei, ein Kind kommt herein. Es ist eigenartig, denn einerseits gibt es eine Barriere, andererseits nicht.“ Es entsteht eine neue Form der Intimität. „Für uns“, sagt Andrew Greenwood, „ist diese virtuelle Erfahrung ein ziemlich positiver ‚eye-opener‘“.

Darüberhinaus hat er eine Serie mit einem niederländischen Fernsehsender aufgezeichnet: „The Art of Movement with Andrew Greenwood“, die auch in Seniorenheimen gezeigt wird. „Sie (die Fernsehstationen, Anm.) haben nun begriffen, dass der künstlerische Ansatz für Bewegung entscheidend ist. Denn du kannst Menschen nur stimulieren, wenn du sie emotional erreichst.“ Drei Staffeln sind bisher abgedreht zu den Themen: „Stay safe at Home“, „How to travel from your home without leaving” und “Stay safe in open space”.

https://switch2move.com

EmilyEmily Jenkins: Verbindungen schaffen

„In meiner Tanzpraxis geht es sehr stark um Beziehungen. Ich brauche den Austausch und ich muss sehen, was die TeilnehmerInnen machen. Wir müssen in einen Dialog treten. Die Plattform Zoom ist ein sicherer Raum, denn nur Frauen, die sich registrieren, können teilnehmen“, sagt Emily Jenkins, die in London und Bristol mit Frauen arbeitet, die entweder an Krebs erkrankt sind oder waren oder während der Krankheit einen Angehörigen oder Freund begleiten.

Normalerweise finden Emilys zweistündigen Tanzeinheiten in London jede Woche statt. In Bristol hat sie mit Intensiv-Wochenenden begonnen, bevor Corona kam. Zur Zeit bietet sie ihre online Stunden ehrenamtlich an, da die gemeinnützigen Organisationen, für die sie arbeitet, ihre Ressourcen für die Zeit nach dem Lockdown, zurückhalten. Sobald sie jedoch Unterstützung dafür gefunden hat, will sie das Angebot ausweiten. Dann sollen auch ihre Kolleginnen des Netzwerkes Move Dance Feel, mit denen sie die live-Klassen leitet, virtuell unterrichten.

Emily hat für die Online-Version die Struktur ihrer Klassen geändert: nach 40 Minuten Tanzen bietet sie für den Austausch einen virtuellen sozialen Raum, in dem sich die TeilnehmerInnen über ihre Situation und über mögliche Hilfeleistungen während der Krise austauschten. Nach einigen Wochen hat Emily diesen zweiten Teil in eine Gesprächsrunde über zeitgenössischen Tanz verwandelt: „Damit es eine künstlerische Erfahrung bleibt, sende ich jede Woche per mail einen Vorschlag für einen Tanzfilm. Es gibt ein großartiges Angebot an Performances online, von Sadlers‘ Wells, Alvin Ailey, NDT, und es ist gratis. Also sprechen wir nach dem Tanzen über diese Tanzfilme. Das steigert nicht nur die Wertschätzung für Tanz, sondern ermöglicht es den TeilnehmerInnen ihre eigene Tanzerfahrung damit zu verbinden.“MoveDanceFeel

Für die virtuelle Tanzpraxis bündelt Emily ihre Energie, denn „ich will diese Energie positiv über den Bildschirm bringen. Die TeilnehmerInnen sind in ihrer eigenen Umgebung ziemlich ruhig, da brauchen sie nicht so viel Entspannung, sondern mehr Energie. Wir beenden die Stunde also immer mit einer zweiminütige Tanzparty, um diese Freude und dieses Vergnügen an der Bewegung zu stimulieren.“

In den live Klassen führt Emily ein „Book of Words“. Nach der Abkühlphase fragt sie jede Teilnehmerin nach einem Wort, das ihr spontan in den Sinn kommt. Nun schickt sie Feedback-Formulare aus. „Das ist super. Es geht um technische Probleme, aber auch um die Erfahrung, die dieses virtuellen Tanzklassen bringen. Die meisten sagen, dass es noch immer eine sehr positive Erfahrung ist, dass sie sich verbunden fühlen und ja, dass es ein Highlight in der Woche ist, auf das sie sich freuen.“

Denn die neue Art der Intimität, die nun entsteht, bringt eine Reihe von Vorteilen: „Ich sehe ihre Hunde, die Bücher in ihren Regalen und wie sie ihr Wohnung dekorieren, sagt auch etwas über ihre Persönlichkeit aus. Ja, ich finde, dass es intimer und vertrauensvoller ist. Das muss auch Einfluss darauf haben, dass sie sich wohl fühlen. Normalerweise sind meine Gruppen sehr gemischt, und es kommen immer einige neue Leute in eine Gruppe, die schon länger zusammen tanzt. Ich bemerke, dass sie in den online-Sessions ihre Scheu viel schneller überwinden, weil sie in ihrer eigenen Umgebung sind und entscheiden können, wieweit sie sich einbringen wollen.“

www.movedancefeel.com 

Clare BernClare Guss-West: Liebe tanzen

Als Corona die analoge Welt lahmlegte, hatte Clare Guss-West gerade die Initiative „Senior Tanz“ in Zusammenarbeit mit Konzert Theater Bern initiiert, für das sie 2019 den Prosenectute Silberbär-Preis für Innovation in der Lebensqualität von Senioren erhalten hatte. Das Projekt umfasste drei Teile, darunter virtuelle Tanzangebote für jene, die keinen Zugang zu den anderen Aktivitäten hatten. Mitten in den Vorbereitungen kam die Krise. „Wir hatten 60 SeniorInnen, die zuhause fest saßen und so aktivierten wir direkt den virtuellen Teil des Projektes.“ Clare ging dabei keinen interaktiven Weg, sondern produzierte eine Reihe von Videos von 15 bis 20 Minuten zu den Themen Warm-Up, kognitive Aufgaben, kreative Aufgaben, Beruhigung und Abkühlen. Die TeilnehmerInnen können wählen, welche Aufgaben sie machen wollen, „ob sie eine Herausforderung suchten, sich entspannen wollten oder kreativ sein und spielen wollten“. Gleichzeitig bekamen die SeniorInnen im Alter von 60 bis 92 Jahren ein Trainings-Logbuch, das von Studierenden im Rahmen des MAS Dance Studies der Universität Bern ausgewertet wird. Die Videos wurden im Mai durch eine Zoom-Session im Rahmen von „Bern Tanzfest“ ergänzt, die ebenfalls in die Evaluierung einfließen wird. Die Studie will herausfinden, wie schwierig es war, allein durch Video-Anleitungen zu tanzen, was den TeilnehmerInnen am meisten gefehlt hat, was verbessert werden kann.Clare Class

Vorteile in diesem Format gegenüber den Angeboten in real-time sieht Clare darin, dass jeder Tänzer sein eigenes Tempo festlegen kann und die Aufgaben und den Umfang nach seiner momentanen Befindlichkeit ebenso wie den Zeitpunkt selbst wählen kann. Die Zukunft sieht Clare in einer Kombination von live Klassen und einem virtuellen Follow-Up. „Von der Erfahrung mit Covid kann ich sagen, dass es für die TeilnehmerInnen sehr positiv war, dass sie die Lehrerinnen vorher gekannt haben. Das sollte man nicht unterschätzen. Und von dem Feedback, das ich bisher bekommen habe, war es für sie auch bedeutsam, dass sie uns getroffen und mit uns Zeit verbracht haben, wenn es auch nur über Aufzeichnungen waren.“

Wie gleicht sie die soziale Nähe aus? „Das klingt jetzt vielleicht doof, aber wenn ich die Videos mache, versuche ich ihnen Liebe zu bieten statt Tanz. Der Tanz, die Aufgabenstellung, ist quasi eine Entschuldigung ihnen viel Liebe und Energie zu schicken … In den Zoom-Klassen, die ich mit jüngeren Erwachsenen mache, sagten sie mir, dass es vor allem die Energie ist, die sie motiviert. Dem schriftlichen Feedback der SeniorInnen nach zu schließen, scheint das auch zu funktionieren. Man arbeitet sehr hart, viel härter als normalerweise, weil es nicht beidseitig ist, man kommuniziert einseitig in den Bildschirm. Aber wenn wir nicht diese extra Portion geben würden, wäre das Ganze flach und tot. Es ist absolut kein Medium um Tanzschritte zu lehren. Ich denke mehr an Beziehungen und übertreibe und animiere mehr als sonst.“

Iva ZoomIva Rohlik: Es geht um Eigenverantwortung

Iva Rohlik hat für ihre "Golden Grovers", eine Gruppe mit TänzerInnen zwischen 68 und 87 Jahren, zu Beginn des Lockdown zuerst ein soziales Netz mit einer WhatsApp-Gruppe aufgebaut und ihre online-Tanzstunden ebenfalls mit kurzen Videos begonnen, bevor sie Zoom-Klassen angeboten hat. Iva beschreibt ihre Tanzinterventionen als einen kreativen Prozess: „Ich habe die Aufgabe mit jeder Person in Kommunikation zu kommen. Es muss einen persönlichen Austausch mit jedem Einzelnen aber auch unter den TänzerInnen geben.“

Das ist ihr offenbar auch online geglückt, denn: „Alle haben am virtuellen Angebot teilgenommen“, sagt sie. „Jeder war dankbar, dass er sich darauf eingelassen hat. Für viele war das ein Quantensprung, und sie konnten sich nicht vorstellen, dass sie das schaffen, denn es war eine wirkliche Hürde. Und doch hatten alle das Bedürfnis, sich auf diese Art und Weise zu verbinden. Jeder wusste, das ist einfach die Qualität unserer Zeit jetzt. Entweder wir nehmen sie an oder wir sitzen irgendwo frustriert und deprimiert und kommen da nicht mehr raus. Und das hat ganz vielen psychisch sehr geholfen. Alle waren immer da und haben sich danach viel besser gefühlt und Feedbacks geschrieben, wie glücklich und voller Energie sie sind. Es ist wirklich eine großartige Unterstützung. Es ist ja nicht nur das Gespräch, sondern dieses Körperliche.“

Wie ihre KollegInnen fand auch Iva, dass es wesentlich anstrengender ist als live-Stunden. „Wahrscheinlich weil du so fokussiert bist auf den Bildschirm, die Augen sind wesentlich angestrengter, die Stimme muss ganz klar sein, dass dich jeder gut hört und nach den zwei Stunden war ich schon richtig fertig. Das ist ein großer Unterschied. Obwohl du dich weniger bewegst, weil du ja weniger im Raum bist, weniger Power gibst, aber das Energetische ist anstrengender.“

In ihren virtuellen Sessions verbindet Iva das Gespräch mit dem Tanzen. „In einer realen Tanzklasse kommen die Tänzerinnen in das Studio, begrüßen sich und dann legt man los. Online war für jeden Raum und Zeit zu sagen, wie es ihm geht oder was er am Herzen hatte. Wenn jemand etwas zu erzählen hat, schön, aber es war ja nicht aufgezwungen. Dadurch haben sich Menschen, die sich schon sehr lange, über Jahre kennen, auf einer ganz neuen, tieferen Eben kennengelernt und konnten sich gegenseitig unterstützen. Dadurch hat die Qualität des Zusammenseins ein ganz anderes Level erreicht, und das sieht man jetzt, wo wir wieder zusammen im Park tanzen. Da ist ein ganz anderes Gefühl von Miteinander, von Ensemble: Wie unterstützen wir uns, wie gehen wir mit Herausforderungen um. Die sind ja nicht nur körperlich, wenn man eine Choreografie einstudiert oder an einer Aufführung, auf ein Ziel hin arbeitet. Da gibt es immer diese Ups und Downs, diese Krisen. Und Corona hat gezeigt, wir schaffen es, wir können jede Krise bewältigen und das Schöne ist, dass wir es miteinander schaffen, dass wir uns gegenseitig unterstützen und helfen müssen. Darin unterscheidet sich der künstlerische Bereich nicht vom sozialen Bereich.“Iva PionierinnenPark

Für die älteren TeilnehmerInnen bedeuteten die Stunden auch eine Gewinn an digitaler Kompetenz. „Es geht auch um Eigenverantwortung und dass man die Verantwortung nicht abgibt. Dass man etwas geschafft hat, von dem man nicht geglaubt hat es zu schaffen. Und jetzt hat man viele Vorteile davon. Das wird in positiver Erinnerung bleiben, auch wenn es eine so erdrückende Zeit war, gerade für diese ältere Generation, die ja aufs Schlimmste isoliert war.“

DancePD MarritzEin Gewinn für professionelle TänzerInnen

War bisher von den Benefits für die TeilnehmerInnen die Rede, sollte man den Nutzen für die professionellen TänzerInnen nicht übersehen. 

„Deine Hände sind gebunden, du hast eine schwierige Vorlage und schwierige Voraussetzungen. Künstler zu sein, wird zur Herausforderung", sagt Andrew Greenwood, „aber der Unterricht online ist sogar künstlerischer, du kannst weiter gehen. Viele Künstler verlieren bei dieser Art der Arbeit ihre Kunst und werden zu Krankenschwestern. Ich werde weiterhin Risiken eingehen und bin gerade in Russland (wo er mit dem Moskau Ballett arbeitet, Anm.) so beliebt, weil ich die TänzerInnen als KünstlerInnen behandle. Ich bin nicht an den Schritten interssiert, sondern daran ihre künstlerische Batterie am Leben zu erhalten."

David Leventhal hat für Mitglieder von Dance for PD ein Ryver-Forum eingerichtet, wo sich KünstlerInnen gegenseitig unterstützen, Fragen stellen und Erfahrungen austauschen können. Darstellende KünstlerInnen, die jetzte nichts zu tun haben, haben nicht nur kein Einkommen, sondern glauben auch, dass sie nichts anbieten können, meint er. „Die Möglichkeiten, online zu unterrichten und besonders im Gesundheitskontext, bietet Hoffnung. In seinem Webinar für IADAMS (International Association Dance Medicine and Science, Anm.) hat Peter Lewton-Brain neulich darauf hingewiesen, dass gerade jetzt Tanz im Gesundheitskontext ein wichtiger Rettungsanker für die psychische Verfassung darstellende Künstler ist, dass sie dabei sehen, dass ihre Fähigkeiten Bedeutung haben und Benefits bringen, auch wenn die Theater geschlossen sind. Und das ist eine weitere Gesellschaftschicht, um die wir uns kümmern müssen.“

Über die Kosequenzen der Corona-Krise auf die Gesundheit professioneller TänzerInnen hat die International Association Dance Medicine and Science (IADAMS) eine Reihe von Webinare und Panel Discussions gehalten, die auf dem Youtube Channel abrufbar sind.

https://www.iadms.org

DCWFScapinofront

„Home Alone – Dance Together“

Am 30. Juni von 11 bis 18 Uhr veranstaltet die Dance & Creative Wellness Foundation in Zusammenarbeit mit dem Scapino Ballet einen Tag zur Weiterbildung zum Thema Tanz im Gesundheitsbereich, unter anderem mit Andrew Greenwood, Clare Guss-West und Emily Jenkins. Beim Webinar „Home Alone – Dance Together“. werden unterschiedliche Methoden für die inklusive Tanzarbeit sowie online Tools und Tipps für die Arbeit mit der Kamera vorgestellt. Die Anmeldung ist demnächst auf der Homepage der Dance & Creative Wellness Foundation möglich. Nähere Infos gibt es bereis auf dem e-Flyer.

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