
tanz.at: Herzliche Gratulation zum (bevorstehenden) Studienabschluss an der Tanzabteilung der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) und der soeben im MuTh über die Bühne gegangenen Produktion „Articulation“. Bitte stellen Sie uns die Produktion und Ihre Rolle darin näher vor.
Clarissa Beisteiner: „Articulation“ ist die künstlerische Bachelorprüfung im Studiengang Zeitgenössischer und Klassischer Tanz an der MUK. Jedes Jahr wird mit dem vierten Jahrgang an drei bis vier unterschiedlichen Stücken gearbeitet. Neben den beiden Stücken von Esther Balfe und Manfred Aichinger aus dem Lehrendenteam der MUK, durften wir Studierenden uns im Voraus Gastchoreograf:innen wünschen, mit denen wir gerne zusammenarbeiten würden. Unser Studiengangsleiter Nikolaus Selimov hat sich dann bemüht, eine entsprechende Zusammenarbeit möglich zu machen – so wie es dieses Jahr glücklicherweise mit Alberto Cissello geklappt hat. Zusätzlich wurde Veza Fernandez als Gastchoreografin eingeladen. Zwar war jeder Prozess der vier Stücke auf seine eigene Art und Weise unterschiedlich, doch alle hatten gemeinsam, dass wir als Studierende eine große Rolle im Produzieren und Sammeln von Bewegungsmaterial spielten und immer Platz für unsere eigenen Interpretationen der Choreografien und Konzepte war. Besonders herausfordernd und bereichernd war es, dass ich mich dabei in vielfältiger Weise auf der Bühne präsentieren und mich dem Publikum so in vielen Facetten zeigen durfte – es ist gerade diese Vielfalt, die mich am zeitgenössischen Tanz so fasziniert, die Möglichkeiten diverse Inhalte zu verkörpern und damit Emotionen sowie Reaktionen im Publikum auszulösen, scheinen geradezu unendlich. Es gibt stets sich öffnende Türen, die Zugang zu neuen Räumen schaffen, die noch zu entdecken sind.
Sie kommen aus einem sehr „musischen“ Elternhaus, wie und wann ist Ihre Begeisterung für den Tanz erwacht und – wenn ja – welche Rolle spielte das familiäre Umfeld?
Tatsächlich wurde meine Begeisterung zwar sehr beiläufig, aber doch recht früh geweckt und hat ab dem ersten Moment nie wieder nachgelassen. Ich würde meinen, ich war so um die drei bis vier Jahre alt. Ich erinnere mich, dass eine gute Kindergartenfreundin von mir mich damals mit zu ihren Ballettstunden nahm und ich sie im Gegenzug mit zu einer meiner Chorstunden. Im Endeffekt kam es zu einer Art „Hobbytausch“, wir beide besuchten zwar sowohl den Chor als auch das Ballett, waren aber letztendlich von dem jeweils anderen Hobby mehr begeistert. Ich habe schon früh bemerkt, dass mir das Kinderballett einmal pro Woche nicht reicht und obwohl meine Familie eher an der Musik interessiert war und ich die Erste war, die den Tanz zum Thema gemacht hat, wurde ich von Anfang an stets dabei unterstützt, meinen Traum zu verwirklichen und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Wann fiel Ihre Entscheidung, den Berufsweg Tanz einzuschlagen? Warum entschieden Sie sich für den zeitgenössischen Tanz?
Meine Anfänge hatte ich in der Tanzschule Maar in Perchtoldsdorf, Niederösterreich, bevor ich dann zu DanceArts unter der Leitung von Boris Nebyla gewechselt habe. Wie bereits erwähnt, wollte ich aber schon früh immer mehr Tanzstunden pro Woche und so hat sich meine Mutter informiert und ist schließlich auf die MUK gestoßen. Dort habe ich dann mit neun Jahren die Aufnahmeprüfung für den Vorbereitungslehrgang gemacht und das war sozusagen der erste Schritt in die für mich richtige Richtung. Dort hatte ich dann mit dem Beginn des Gymnasiums in der Boerhaavegasse, an dem ich letztes Jahr maturiert habe, jeden Tag bis zu fünf Stunden Training in diversen Fächern, darunter natürlich Ballett und Zeitgenössischen Tanz, aber auch Rhythmik, Akrobatik, Gymnastik, Historischen Tanz etc. Die Ausbildung dauerte insgesamt fünf Jahre und hat darauf hingearbeitet, uns auf die Aufnahmeprüfung in das Bachelorstudium vorzubereiten, wo ich dann mit 15 Jahren aufgenommen wurde und welches ich nun in wenigen Monaten auch abschließen werde. Als junges Mädchen war ich, so wie viele kleine Mädchen, vom klassischen Ballett angetan. Aber früh habe ich mich für den zeitgenössischen Tanz begeistern lassen, weil dem viel weniger Grenzen gesetzt sind, bzw. es einem offensteht, diese Grenzen auch testen und ausreizen zu können. Der zeitgenössische Tanz ist unglaublich facettenreich und bietet die Möglichkeit, seine eigene persönliche Note einfließen zu lassen und es ist stets möglich, Neues zu schaffen.
Gab es Vorbilder/Idole?
Meine größten Vorbilder waren tatsächlich nie wirklich berühmte Tänzer:innen, sondern eher Personen in meinem näheren Umfeld, weil sie für mich greifbarer waren. Zum Beispiel waren und sind es auch immer noch viele meiner eigenen Lehrer:innen. Ich erinnere mich besonders an einen meiner allerersten Ballettlehrer, Christian Musil, der mich auf jeden Fall schon früh inspiriert hat. Aktuell sind es vor allem Absolvent:innen der MUK, die eine ähnliche Laufbahn wie ich hinter sich und es in der Berufswelt Tanz schon weit gebracht haben.
Wie sehen Sie die aktuelle Situation für Studierende des zeitgenössischen Tanzes im Allgemeinen?
Ich denke, für junge Künstler:innen, die gerade aus der Ausbildung kommen und vor dem entscheidenden Schritt in die professionelle Laufbahn stehen, ist es im Allgemeinen nicht einfach, sich in der Arbeitswelt zu integrieren. Tänzer:innen müssen auf der Suche nach einem Job erstmal mit zahlreichen und gefühlt nie endenden Absagen rechnen, was natürlich für junge Leute, die ihre Leidenschaft zur Berufung machen wollen, nicht leicht ist. Ich denke die größte Herausforderung sind die finanziellen Sorgen, denen man sich nach oder auch schon während der Ausbildung stellen muss, da junge Tänzer:innen nach wie vor leider nicht besonders gut bezahlt werden. Zwar gibt es in Wien für junge Künstler:innen relativ viele Möglichkeiten – vor allem in der freien Szene – und es gibt hier auch einige Spielstätten, die insbesondere Nachwuchstalenten die Chance geben, mit eigenen Projekten auf die Bühne zu gehen. International, vor allem in Europa, gibt es aber mehr Möglichkeiten und auch mehr Kompanien mit Stellenangeboten, womit aber zugleich der Konkurrenzdruck und Aufwand, beispielsweise für Reisen zu Auditions, wächst. Ich denke wer sich dazu entscheidet, den Tanz zu seinem Beruf zu machen, tut das ohnehin in erster Linie, um seine Leidenschaft auszuleben und um sich selbst und die Welt zu inspirieren.
In welchen Produktionen/Rollen waren Sie bislang zu sehen?
Bis jetzt hatte ich schon mehrmals die Möglichkeit auf der Bühne zu stehen, vor allem in den jährlichen Aufführungen auf der MUK- und MuTh-Bühne als Teil der Ausbildung. Die bis jetzt größten Produktionen, an den ich mitgewirkt habe waren „O! A Biography“, ein Opéra-ballet, eine Co-Produktion mit dem Tanzquartier Wien und Wien Modern unter der künstlerischen Leitung von Eva Maria Schaller, und die „Silvestergala 2025“, bei der ich im Wiener Konzerthaus gemeinsam mit den Wiener Symphonikern das „Strauss-Festival 2025“, unter der künstlerischen Leitung von Stefanie Wieser, eröffnen durfte. Neben diesen großen Produktionen gab es immer wieder auch kleinere Projekte im Zuge der Ausbildung, durch die wir dankenswerterweise auch schon einige wenige Kontakte in der Wiener Szene knüpfen konnten. Aktuell sind von mir aus zwar in Wien keine weiteren neuen Produktionen in Planung, ich bin aber gerade dabei, mich fleißig bei Kompanien in ganz Europa zu bewerben. Da ich erst 18 bin und noch so viel vor mir habe, hoffe ich, dass es für mich auch ganz bald wieder spannende Möglichkeiten geben wird, auf der Bühne zu stehen.
Was sollte sich im Sinne der positiven Entwicklung des zeitgenössischen Tanzes und Ihrer persönlichen tänzerischen Karriere vordringlich ändern?
Ganz groß geträumt würde ich mir wünschen, dass Tänzer:innen mit einer besseren finanziellen Stabilität rechnen könnten und dass der Beruf Tanz gesellschaftlich als vollwertiger Karriereweg anerkannt wird.
Was liegt Ihnen an diesem Wegpunkt Ihrer Karriere, dem Übergang vom Studium in das tänzerische Berufsleben, am meisten am Herzen? Was würden Sie sich für/von der Zukunft für sich und Ihren Fachbereich erhoffen?
Ich erhoffe mir, dass ich bald eine künstlerische Umgebung für mich finde, die es mir ermöglicht, mich als Künstlerin weiterzuentwickeln und im zeitgenössischen Tanz genau das erforschen und ausleben zu können/dürfen, was mich – wie bereits erwähnt – an ihm so fasziniert, nicht zuletzt, um auf diesem Weg möglichst vielen Menschen durch meine Arbeit als Tänzerin Freude und bereichernde Momente schenken zu können.