Ballettdirektorin Alessandra Ferri hat offiziell die neue Spielzeit mit einem erneuerten Ensemble eröffnet und dabei gleich drei Beförderungen vorgenommen: Sinthia Liz und Giorgio Fourés rückten in den Solistenrang auf, während Timoor Afshar nun auf der höchsten Stufe angekommen ist: der 28-jährige Tänzer aus den USA, der vor zwei Jahren als Solist zum Wiener Staatsballett kam, ist seit 1. September Erster Solist.
Wie bei einigen seiner Kollegen war es auch bei Timoor Afshar die Schwester, die ihn überzeugte. Zwar hatte ihn seine russische Mutter bereits im Alter von 5 Jahren zum Ballettunterricht geschickt, aber der Bub zog Fussball und Schwimmen dem Training an der Stange vor, das er einigermaßen langweilig fand. Erst als er drei Jahre später die Abschlussaufführung der Schule seiner Schwester auf der Bühne sah, wurde er vom – bekanntermaßen unheilbaren – Tanzvirus erfasst, “vor allem wegen der Athletik, die damit verbunden ist und der Musik”, sagt er heute. Er erhielt nun systematischen Unterricht am Indiana Ballet Conservatory, von dem er noch heut als “sehr gute Schule, mit der ich noch immer in Verbindung bin” schwärmt. Als sich sein Talent zunehmend entfaltet, beginnt er am Harid Conservatory in Florida seine professionelle Ausbildung. 2012 wechselt er an die die John Cranko Schule in Stuttgart. und von dort vier Jahre Später ans Stuttgarter Ballett, wo er sich innerhalb von zwei Jahren in unterschiedlichen Rollen durch das Repertoire tanzte und bis zum Halbsolisten aufstieg.
Heute fasziniert ihn, wie Tanz sich durch Training weiterentwickelt und wie Elemente wie Musik, Haltung und Athletik zu einer Einheit verschmelzen können. Für Timoor Afshar ist Tanz vor allem Ausdruck von Emotion und Dramatik und das hat er in Wien etwa in Rollen wie Armand in Neumeiers “Kameliendame”, als Prinz Siegfried in “Schwanensee” oder als Leontes in Christopher Wheeldons “A Winter’s Tale” bewiesen, wo er jeweils durch seine in Laufe der Saison zunehmend differenzierte Rollengestaltung hervorstach. Seine technische Brillanz konnte der elegante Tänzer in Wien bisher vor allem in Werken von George Balanchine oder William Forsythe ausspielen.
Wie konsolidiert ein junger Tänzer das Leben im 21. Jahrhunderts mit der Romantik und den Gefühlen des 19. Jahrhunderts? Die Frage stößt bei Timoor nicht auf viel Verständnis, denn: Gefühle wie Liebe, Hass oder Sehnsucht verändern sich nicht über die Generationen – sie sind zeitlos. Das spiegelt sich auch in klassischen Rollen wider, die im heutigen Kontext neue Relevanz bekommen können, sagt er.
Es reizt ihn, Rollen unterschiedlich interpretiert zu können, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet. Besonders die Figur des Prinz Desiré in “Dornröschen” in der Fassung von Martin Schläpfer hat ihn nachhaltig beschäftigt, weil sie sich klassisch und modern interpretieren lässt. „Es ist spannend, wie ein Charakter aus verschiedenen Perspektiven gesehen werden kann – mit all seinen Licht- und Schattenseiten.“
Und dennoch sieht der Tänzer Tanz zunehmend auch im gesellschaftlichen Kontext und das mit speziellen Bezug zu seiner Generation: “Die Frage, die wir uns heute heute stellen müssen, ist , wie wir die Jugend von den Bildschirmen wegkriegen. Vielleicht erreichen wir sie besser mit Kunst im Museum oder im öffentlichen Raum.“ Und er denkt dabei an die Aufführungen, die etwa Rebecca Horner vor Kurzem in der Horten-Sammlung gezeigt hat.
Auf der Bühne ist Timoor Afshar eine markante und unübersehbare Erscheinung. Privat sei er aber eher eher introvertiert. Im Gespräch ist er höflich, zurückhaltend und in seinen Antworten wohl überlegt.
Sein Wechsel nach Wien war nicht nur von einer Sehnsucht nach klassischem Tanz, sondern auch von einem Bedürfnis nach Ruhe geprägt. In Indiana wuchs er in der Nähe eines Waldes auf und die Natur ist für ihn ein Rückzugsort, der ihm besonders nach intensiven Arbeitsphasen wichtig ist. „Ich brauche die Natur. Das Leben in Wien ist ruhiger, weniger hektisch – das habe ich gesucht“, sagt er – auch wenn die Natur im zweiten Gemeindebezirk, in dem er wohnt nicht zum Greifen nahe ist. Andererseits möchte er in Wien auch nicht bis zur Pension bleiben …
Ein zentrales Thema für Timoor ist auch der respektvolle Umgang mit sich selbst als Künstler. Die Arbeit im Tanz ist körperlich und emotional intensiv, und es ist wichtig, seine Grenzen zu kennen und zu setzen. „ Ich bin ein sehr fleißiger Mensch ich wenn ich an etwas arbeite, gebe ich 200 Prozent. Ich habe von Martin [Schläpfer] gelernt, meine Grenzen zu setzen. Es ist wichtig, seinen eigenen Wert zu kennen – als Mensch und als Tänzer.“ . Also dass ich muss ich muss für mich stehen und und meine Arbeit auch den Wert geben, wie ich die es braucht und ich bin ein sehr.
Trotz aller Herausforderungen ist für Timoor klar: Er liebt, was er tut. Die Arbeit als Tänzer ist für ihn Ausdruck von Hingabe – auch wenn viele Menschen außerhalb der Kunstszene diese Leidenschaft oft nicht nachvollziehen können. „Wir machen das aus Liebe – nicht für Geld oder Anerkennung. Es ist unsere Form, die Welt zu verstehen.“