Mit ihrer Version des Ballettmärchens „Schwanensee“ hat die Tänzerin und Choreografin Dada Masilo aus Südafrika auch da europäische Publikum im Sturm erobert. Die 13 TänzerInnen der Dance Factory zeigen mit Grazie und Humor, dass Schwäne keine Spitzenschuhe brauchen und sich klassisches Ballett nahtlos mit afrikanischem Tanz verbinden lässt. Dass man es auch bei ImPulsTanz unangestrengt genießen und sich freuen darf, ist eine Überraschung.
Tänzer und Tänzerinnen kommen in flaumigen weißen Tütüts auf die Bühne – barfuß. Die Königinmutter erklärt uns, dass es nur um eines geht: Den richtigen Mann zu erobern. So sind die hübschen Schwäne, die ihre Hüften schwingen und dem Publikum fröhlich den Pürzel entgegenstrecken, keine Märchenwesen sondern Girlies auf Brautschau.
Sie tun das mit ansteckender Energie und umwerfender Fröhlichkeit, springen, rennen, kreischen, lachen, wackeln mit dem Hinterteil. Man möchte mitwackeln und denkt bekümmert an die schönen Ballerinen im klassischen Ballett, die nicht aus ihrem Korsett steigen dürfen, ihre Lebendigkeit dem strengen Bewegungskanon unterordnen müssen.
Ohne Krämpfe mischt Choreografin Masilo diesen klassischen Kanon, dem sie sehr wohl ihre Referenz erweist, mit dem stampfenden, Lebensfreude ausstrahlenden Tanz ihrer Heimat.
Kein Zaubermärchen. Doch es wird auch eine Geschichte erzählt, eine nur anfangs komische Geschichte. Der Bräutigam für die Tochter ist gefunden, die stolzen Eltern richten das Hochzeitsfest und alles kommt anders. Siegfried, der Bräutigam begegnet seiner wirklichen Liebe, einem jungen Mann. Die Braut (Dada Masilo, quirlig, graziös, hinreißend) bleibt sitzen. Nach dem wunderbaren Liebes-Pas de deux der beiden Männer, noch ein barbusig getanzter Pas de trois. Die Verlassene muss sich beugen, kann sich einen anderen suchen. Schon umkreisen die schwanengleichen Erinnyen das Liebespaar, deren Liebe nicht sein darf.
Fort mit euch! Die Stimmung ist gekippt. Nichts ist mehr lieblich, mit den weißen Tütüs ist auch die Lebenslust geschwunden. In langen dunklen Röcken wankt die einst so überschwängliche Hochzeitsgesellschaft auf die Bühne, tanzt ihren letzten Tanz. Noch eine Pirouette, noch einmal im Cambré gebeugt, noch eine Arabesque, dumpf fallen sie eine nach dem anderen zu Boden. Aus dem Lautsprecher tropft es in F-Dur. Arvo Pärts Musik „Spiegel im Spiegel“ für Klavier und Violine begleitet die verstörten Männer und Frauen in den Tod. Nur mühsam erinnere ich mich, wie sehr ich zu Beginn gelacht habe.
Auf nur eine Stunde hat Masilo in Beschränkung auf die „weißen“ Akte das Vorbild reduziert und doch inhaltlich erweitert, aus dem Märchen eine reale Geschichte gemacht. Ohne das Original zu desavouieren hält sie sich auch nicht an den musikalischen Duktus, mischt Camille Saint-Saëns „Schwan“ darunter und auch Steve Reich und eben Arvo Pärt und zeigt dennoch ein wunderbar in sich geschlossenes Werk, ausgeführt von großartigen Tänzerinnen und Tänzern (der Verführer, quasi Rotbart, der keine Odile benötigt, hat seinen ersten Auftritt in Spitzenschuhen – unwiderstehlich).
Dada Masilo / The Dance Factory: „Swan Lake“, 22. Juli 2014, Volkstheater im Rahmen von ImPulsTanz.
Weitere Vorstellungen: 23., 24, 25. (18 und 21 Uhr).