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valentinamoarWider die Unverständlichkeit zeitgenössischen Tanzes. Welche(r) KünstlerIn, welche(r) Veranstalterin kennt es nicht, das häufig zurückhaltende Interesse für zeitgenössischen Tanz: „Dieser sei ja zum Teil ganz schön, aber eigentlich unverständlich“, lautet in etwa die Argumentation von ansonsten durchaus Kunstinteressierten. Dem zu widersprechen war ein Ziel Moars für diese Choreographie „Getanztes Dasein“.

Valentina Moar, frei arbeitende italienische Tänzerin-Choreographin, näherte sich Graz mit Bedacht: Ausgebildet bei Susanne Linke und Avi Kaiser  in Mailand sowie weitergebildet bei  der Arbeit mit zahlreichen internationalen KünstlerInnen und europaweiten, erfolgreichen Auftritten,  nahm sie von 2008 bis 11 bei einem Forschungsprojekt des IEM Graz (Institut für Elektronische Musik und Akustik) teil. Bei den in diesem Rahmen erfolgten zwei Studio-Präsentationen wurde sie einem kleinen, internen Kreis vor Ort bereits bekannt. Ein weiterer, vor allem deutlicherer künstlerischer Schritt in Graz erfolgte aber erst,  als  Moar  2011 mit ihrer Soloaufführung von „Retour au Dialogue“ Gast beim Festival „tanz schritt weise“ war. Das positive Echo bei Publikum und Presse erfolgte umgehend. Und nun, mit der Uraufführung von „Getanztes Dasein“ am 6.Juli 2012 auf der Studiobühne im MUMUTH ist Valentina Moar  zweifellos endgültig im Bewusstsein der  Grazer Tanzinteressierten angekommen: Die Premiere war ausverkauft  (nahezu ebenso die zweite Vorstellung), die Begeisterung des Publikums schon beim häufigen Szenenapplaus sehr deutlich.

Den Vorurteilen gegenüber zeitgenössischem Tanz zu widersprechen war ein Ziel Moars für diese Choreographie. Die Auseinandersetzung mit philosophischen Werken zum Thema  der  Identität des Menschen sowie zur Phänomenologie  des Körpers ein zweiter Ausgangspunkt. Die künstlerische Synthese, beide inhaltlichen Pole mit tänzerischer Qualität  nachvollziehbar zu verbinden,  ihre Intention. Das Ergebnis war „ein zeitgenössisches Solo-Tanzstück“, das sich sehen lassen kann.

Auf offener Bühne, klar und verständlich  in inhaltlich-formale Szenen strukturiert, werden Realitäten, Identitäten präsentiert: Aber sind diese deutlichen Bilder (eine Trainingssituation, eine kokette, wartende Frau, ein Hund, einer Gestrauchelte, eine dem Butoh nahestehende Bewegungssequenz usw.)  Bilder einer Tänzerin – und/oder die eines „normalen Menschen“? Oder die einer Rolle? Ist Realität das,  was sich auf der Bühne entwickelt oder aber das, was in Interaktion mit dem Publikum entsteht?  Das, was über Live-Video auf dem Bildschirm  zu sehen ist oder von einem „Zwischenträger“  mittels Digital-Kamera gerade gefilmt wird?

Das heißt, es wird auf mehreren Ebenen deutlich gezeigt, was wir „alles“ für wahr halten. Was davon allerdings die  Wahrheit ist …?

Dass eine dieser Brechungen mit digitalen Hilfsmitteln geschieht, ist – ganz nebenbei – wieder einmal respektive ausnahmsweise ein Beweis dafür, wie bereichernd dieses Medium für die Kunst und künstlerische Interaktion sein kann – wenn es „richtig“ eingesetzt wird. Dies bezieht sich auch auf die spannenden musikalischen Verfremdungen, die  mit viel Bedacht und Sensibilität eingesetzt sind. Dass auch die Sprache  in dieser breiten Suche nach Wirklichkeiten „mitreden“ darf, ist unter Anderem durch das (nicht nur studienbedingte) Nahverhältnis der Künstlerin begründbar, aber vor allem durch deren klugen Einsatz, der eine weitere, freilich schmale  Verständnis-Ebene der Realitäten einzieht: Die über Lautsprecher gegebene Erklärungen von  (Tanz-)Phänomenen gehen schon  bei einem ersten, für den Zuhörer möglichen Ansatz eines Aha-Erlebnisses in akustischen Verzerrungen unter.

Gelungen ist Valentina Moar und ihren kongenialen Mitarbeitern (Ralf Beyer, Bostjan Ivanjsic, Marco Schretter)  ein abwechslungsreiches Tanz-Solo, in dem die auf hohem professionellen Niveau vorgeführten Formen zeitgenössischen Tanzes für jedermann (be)greifbar sind;  gleichzeitig eröffnen sich inhaltliche Weiten, die sich dem  Zuseher - ganz nach jeweiligem Gutdünken  oder jeweiliger Laune -  zwischen Unterhaltung und nahezu verunsichernden Denkanstößen anbieten.

Valentina Moar „Getanztes Dasein“, Uraufführung am 6. Juli 2012 auf der Studiobühne im MUMUTH Graz