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swaine iconMit seiner Monografie „Alexander von Swaine. Tanzende Feuerseele“ holt Ralf Stabel den Ausnahmetänzer aus der Vergessenheit zurück. Obwohl der Autor ihn nie auf der Bühne erlebte, nie mit ihm gesprochen hat, ist ihm mit dem vorliegenden Buch eine spannende Aufzeichnung der Lebensgeschichte dieses „Jahrhundert-Tänzer“ gelungen. Für dieses Prädikat hat sich von Swaine nicht nur durch sein langes Leben (geboren 1905 in München, gestorben 1990 in Cuernavaca, Mexiko) sondern auch durch seine künstlerischen Erfolge qualifiziert.

„Die Kritiker überboten sich in Superlativen, verglichen ihn mit Harald Kreutzberg oder Vaslav Nijinsky - und gaben meist von Swaine den Vorzug", schreibt Ralf Stabel. Warum also ist gerade Letztgenannter nicht in der tanzkulturellen Erinnerung geblieben? Die Gründe liegen wohl in seiner Abwesenheit in entscheidenden Momenten, etwa zur Zeit der Olympischen Spiele 1936, an deren Eröffnung Größen wie Wigman, Laban, Kreutzberg oder Riefenstahl teilnahmen, nicht aber von Swaine. Der saß zu dieser Zeit im Gefängnis wegen „widernatürlicher Unzucht“. Während der NS-Zeit, in der viele deutsche Ausdruckstänzer weiterhin tanzten und unterrichteten, war er als Feind im damaligen Niederländisch-Indien, heutigen Indonesien in Haft. (Dort war er vor Kriegsausbruch mit der Österreicherin Rosalia Chladek auf Tournee, die noch rechtzeitig mit dem Schiff nach Wien zurückkehren konnte.) Kaum ein Tänzer unternahm so ausgedehnte Tourneen wie er, doch das wurde in Deutschland kaum wahrgenommen, auch wenn er bei seinen dortigen Auftritten von Presse und Publikum hymnisch gefeiert wurde. Schließlich wanderte von Swaine 1965 nach Beendigung seiner Bühnentanzkarriere nach Mexiko aus und war in der europäischen Wahrnehmung nicht mehr präsent – aus den Augen, aus dem Sinn. Erstaunlich, denn laut Stabel war von Swaine „einer der ersten supranationalen Tanzstars. Zu vergleichen in dieser Hinsicht im besten Fall mit Anna Pawlowa.“

Seinen Erfolg verdankte Alexander von Swaine nicht nur seinem künstlerischen Talent, sondern auch der materiellen Unabhängigkeit, die ihm die Abstammung aus einer reichen Familie, ermöglichte. Der Sohn adeliger Eltern wächst aufgrund der Abstammungsgeschichte seiner Vorfahren und den Geschäften seines Vaters quasi seit Geburt in einer international ausgerichteten Umgebung auf. Sein Vermögen ermöglicht ihm auch in den Anfangsjahren seiner künstlerischen Laufbahn ein finanziell sorgenfreies Auskommen. Seine Ausbildung beginnt er als Zwanzigjähriger bei dem Laban-Schüler Botjo Markoff in Berlin, der sein Talent erkennt und ihn zur russischen Ballerina Eugenia Eduardowa in Berlin vermittelt, wo er vier Jahre lang klassisches Ballett trainiert. Später kreiert er als Podiumstänzer seine eigenen Stücke zwar im Stil des Ausdruckstanzes, doch seine klassische Grundlage wird ihn zu einem der herausragendsten Tanzinterpreten seiner Zeit machen. „Er war einer der ersten, die das praktizierten, was den Bühnentanz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer großartigen Renaissance führen sollte: die Symbiose von Klassik und Moderne.“

Ralf Stabel hat in seinen Recherchen versucht, die vielfältigen Aspekte, die diesen schillernden Künstler in seinen unterschiedlichen Lebensphasen ausmachen, herauszuschälen. Er hat in Archiven minutiös recherchiert – seinen „Nachlass“ hat Alexander von Swaine noch zu seinen Lebzeiten an das Deutsche Tanzarchiv von Kurt Peters übergeben – und die Lebensgeschichte des „Jahrhundert-Tänzers“ mit zahlreichen Orginalzitaten untermauert. Besonderes Augenmerk legt der promovierte Historiker auf die Zeit des Dritten Reiches, um die brutale und zynische Absurdität des Nazi-Regimes erneut vor Augen zu führen. Fünf „Fälle“ werden untersucht: Mary Wigman, Harald Kreutzberg und Gret Palucca, , Lisa Czobel, die nach dem Krieg von Swaines langjährige Tanzpartnerin sein wird, und Alexander von Swaine.

Damit erinnert diese Biografie nicht nur an das künstlerische Schaffen eines der wichtigsten deutschen Tänzer des letzten Jahrhunderts, sondern ist gleichzeitig ein überaus lesenswertes historisches Zeitdokument.

Ralf Stabel: „Alexander von Swaine. Tanzende Feuerseele“, Henschel Verlag, Leipzig, 2015

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