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Die kommende Ballettpremiere des Wiener Staatsballetts wartet mit einem Wiedersehen auf. Susanne Kirnbauer tanzt und spielt eine Verdächtige im Mordfall „Ada“. „Le Concours / Der Wettbewerb“ von Maurice Béjart, findet in der Volksoper statt und ruft den Kommissar auf den Plan. Die Favoritin ist ermordet worden. Doch der Krimi ist eine Komödie.

So viele Schwäne! Große, kleine, winzige. Und dazwischen Miss Maude, die Lehrerin, immer noch mit elegantem Schwung der Arme, aber keineswegs liebevoll. „Wenn ich sie noch einmal sehe, dann bringe ich sie um“, knurrt Miss Maud, alias Susanne Kirnbauer. Vor mehr als dreißig Jahren war sie umjubelte Erste Solotänzerin an der Wiener Staatsoper, jetzt darf sie wieder im Probensaal stehen. Direktor Manuel Legris hat sie überredet, die Rolle der Miss Maude zu übernehmen. „Ich habe nach langem Überlegen zugestimmt. Ich habe ja eine unglaubliche Ehrfurcht vor Manuel Legris. Wenn er mich will, dann bin ich da.“

Und so tanzt sie mitten unter den großen und kleinen Schwänen im Rückblick auf des Mordopfers (Ada) erste Lehrjahre. Geduldig wiederholt sie die Passagen, droht immer wieder mit dem Umbringen, weil Probenleiter Bertrand d’At zwar alles wunderbar findet, es aber noch wunderbarer haben möchte. D’At ist mit dem „Ballet-Film“ mehr als vertraut. War er doch nicht nur Tänzer in Béjarts Ballet du XXième Siècle sondern auch Ballettmeister der Compagnie und hat in der ganzen Welt Choreografien seines Lehrmeisters einstudiert. Dafür ist er auch geadelt worden: Monsieur d’At ist Officier des Arts et des Lettres. Was ihn nicht hindert, sich selbst unter die Schwäne zu mischen, um etwas Ordnung in den Reigen zu bringen. Den Moderator, der durch Adas Leben führt, mimt er als Stellvertreter des Darstellers Christoph Wenzel gleich mit. In gebrochenem Deutsch fasst er zusammen, was das Leben einer werdenden Balletttänzerin ausmacht: „Arbeit, Tradition, Disziplin“. Am Rand stehen die Kommissare und saugen an einer imaginären Zigarette.

Das hat eine Probe im großen Saal so in sich, da probt nicht nur die Premierenbesetzung (Gregor Hatala als Kommissar, Olga Esina als Ada) sondern alle dürfen als Doppelgänger mitmachen. Kirill Kourlaev, Roman Lazik, Maria Yakovleva, Ekaterina Fitzka bewegen sich synchron mit der Premierenbesetzung im Probensaal. Ein Genuss der seltenen Art.

Am Rand knicksen winzige rosa Schwäne. Luisa, Nina, Estelle und Lina, kaum 12 Jahre alt, dürfen den Unterricht in der nahen Ballettschule der Staatsoper schwänzen, arbeiten müssen sie trotzdem. Sie müssen emsig probieren, wenn sie ihr alter Ego, die Ballettelevin Ada, tanzen wollen. Die Elevin hat natürlich auch eine Mutter, eine echte Ballettmutter, die selbst einst eine berühmte Ballerina war: La Brambilla, getanzt von Dagmar Kronberger. Im Ballettsaal ist aber Miss Maud die Herrscherin. Die Kirnbauer (für die Fans) oder die Susi (für die, die sie kennen und lieben) bewahrt stoische Ruhe, ist ganz Miss Maud, die Lehrerin, die sich ärgert und kränkt, weil ihre beste Schülerin, eines Mannes wegen, den Ballettsaal verlässt. Der Kommissar hält die Person für hochverdächtig.

„Ich weiß noch gar nicht, ob ich es wirklich bin. Wer am Ende verhaftet wird, wissen wir alle nicht. Das muss ein Geheimnis bleiben.“ Trotz der anstrengenden Probe ist Susanne Kirnbauer danach entspannt und bestens gelaunt: „Es ist schon eine Art heimzukommen und viele sind ja wie meine Kinder. Einige waren bei mir in Ischl, wo ich fünf Jahre Ballettdirektorin der Operetten Festspiele war. Ich kenne sie eigentlich alle und ich liebe sie, die sind doch alle bezaubernd.“ Die Liebe beruht auf Gegenseitigkeit. Wer könnte Susanne Kirnbauer nicht lieben? Nicht nur in Bad Ischl war Kirnbauer Direktorin, auch an der Wiener Volksoper leitete sie zehn Jahre lang die Geschicke des Ballettensembles und erntete Lob für ihre wienerischen Choreografien. Als der damalige Volksoperndirektor Eberhard Waechter als Kodirektor an die Staatsoper geholt wurde, wollte er die Kirnbauer als Ballettchefin mitnehmen. Ein bissiger Kritiker vereitelte das Vorhaben: Der längst Verstorbene mokierte sich über eine kommende „Lederhosendirektion“. „Da hat der Waechter gemeint: ‚Susi, das steh ich nicht durch. Bitte verzichte.' Ich habe verzichtet.“ Heute kann sie darüber lachen, weil ihre Karriere als Tänzerin und Choreografin eine weit verzweigte erfolgreiche Fortsetzung gefunden hat. Nicht nur als Schauspielerin, auch als Sängerin (Ida in der „Fledermaus“) erntete sie sowohl Publikumsovationen als auch Kritikerrespekt: „Einen Tupfen Schlagobers auf der Sahne“ war in der Kritik des Kuriers zu lesen, weil sie ihre Rolle so wienerisch gestaltet hat. Dass sie in nahezu allen Hauptrollen des klassischen Repertoires brilliert hat, sollte nicht mehr notwendig sein, zu erwähnen. Die Kirnbauer ist aber keine, die sich auf Lorbeeren ausruht oder im Glanz der Berühmtheit sonnt. „Eine Schwanenprinzessin war ich nie. Ich habe einen zu kurzen Oberkörper. Da wirkt das Geflügel gar nicht. Die Kostümbildnerinnen und Garderobieren hab ich auch immer genervt. ‚Machen’S mir doch die Taille ein bissel tiefer’ hab ich sekkiert.'“

Zuckerschlecken waren die ersten Jahre als frischgebackenes Ensemblemitglied keines. Die Susi war erst 14, als sie in Corps de Ballet der Wiener Staatsoper aufgenommen wurde. „Glauben Sie nicht, dass die Tänzer damals feine Herren waren, die waren sehr gewöhnlich, grob, auch ordinär und ich war naiv und unwissend mittendrunter. Wenn sie gesagt haben, ‚Hab dich nicht so Mäderl’, dann war das noch harmlos.“ Für die Kirnbauer kommt der „Danseur noble“ aus Frankreich, nicht nur weil Legris ein von ihr bewunderter Tänzer war. „Ich war selbst ein Jahr in Frankreich. Da habe ich mir sozusagen eine Liebeskarenz genommen. Dieses Jahr bereue ich nicht. Ich habe getanzt und gelernt. Und wie es halt in Wien so war, damals. Erst als ich zurückgekommen bin, wurde ich zur Solotänzerin ernannt. Vorher hat mich gar niemand auch nur angeschaut.“ Susanne Kirnbauer, noch immer hochaktiv, neuerdings auch als Performerin (im erfolgreichen Stück „Spitze“ von Doris Uhlich) und schon lange als Lehrerin und Workshopleiterin und nicht zuletzt als Moderatorin und Event-Regisseurin, blickt weder im Zorn noch in Traurigkeit zurück, beobachtet mit kritischem Blick die Veränderungen und ist zufrieden. „Damals wäre vieles nicht möglich gewesen, was jetzt das Ballett auszeichnet. Es herrscht ja eine ganz andere Stimmung. Ich spüre nichts von Missgunst und Eifersucht. Und das Tolle ist, alle spielen mit, sogar der Betriebsrat. Der Manuel kann gut mit Menschen umgehen und er ist ein Arbeitstier. Unwahrscheinlich stark. Sein Stil, nicht nur als Tänzer, ist unnachahmlich. “ In ihrer Begeisterung würde sie gern eine Fahne schwingen. In Ermangelung des Utensils wird laut gerufen, sodass die Kellnerin zusammenschrickt: „Vive la France et la difference!“ Und dann müssen die Röcke gerafft werden, damit Susanne wieder rechtzeitig im Probensaal ist. Arbeit und Disziplin werden verlangt, doch auch die Freude daran ist erlaubt. So freut sich die  Kirnbauer auf Eno Peci, mit dem sie gleich den Rückblick auf Adas TV-Auftritte proben wird. „Der Eno ist ein Fernsehchoreograf, er entlässt Ada, weil sie kein Mann ist. Auch er ist als Mörder verdächtig.“ Susanne Kirnbauer (verheiratete Bundy), positiv, warmherzig und fröhlich hat sich auch durch mancherlei Rückschläge und Kränkungen nicht unterkriegen lassen, so macht sie auch aus ihrem Geburtsjahr, 1942, kein Geheimnis. Schließlich ist sie auch stolze Großmutter eines „ganz schön frechen“ Buben. Doch sie ist alles andere als die ältliche Miss Maud, die ihrer Lieblingsschülerin nicht verzeihen will. Sie wird sie spielen und tanzen. Wie alles, was sie macht, mit ganzem Einsatz und großem Erfolg. Denn eine Ballerina lebt für den Tanz, auch wenn sie schon in Pension ist. Der Seufzer: „Einmal noch 28 sein!“ ist kaum hörbar.

„Le Concours“, Premiere in der Volksoper am 17. April. Folgevorstellungen: 19., 21. April; 10., 15., 20., 22., 25. Mai.

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