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sidney1Mit einem Gastspiel der Sydney Dance Company brachte das Festspielhaus St. Pölten die Saison 2018/19 zu einem fulminanten Abschluss. Das jüngste Stück ihres Chefs Rafael Bonachela „ab[intra]“ ist eine unerbittliche Tour de Force. „Umwerfend“ lautete der Kommentar meines Nachbarn. Und er hatte damit wohl im doppelten Wortsinn Recht. Denn 70 Minuten war man einem akustischen, visuellen und kinetischen Dauerfeuer ausgesetzt.

Rafael Bonachela ist überaus erfolgreich. Internationale Berühmtheit erreichte der 1972 geborene Spanier als Choreograf für Pop-Größen wie Tina Turner oder Kylie Minogue. Das färbt auch auf seine Bühnensprache "in the tradition of contemporary dance" (O-Ton Bonachela) ab. Auch „ab[intra]“, das im Mai letzten Jahres seine Uraufführung in Sydney hatte, ist geprägt von der epischen und lauten Ästhetik der Popwelt.sidney2

Dabei ist die Musik durchaus der zeitgenössischen Klassik zuzurechnen. Nick Wales hat seine Originalkomposition mit einem Konzert des Letten Pēteris Vasks zu einem breiten Klangteppich verwoben, der ohne Pause aus den Lautsprechern schallt. Von Beginn bis zum Ende ist die Bühne von Nebel umhüllt; die Umrisse der TänzerInnen sind wie mit einem Weichzeichner verwischt.

sidney3Diese visuellen und akustischen Stimmungen finden in den choreografischen Versatzstücken ihre physische Entsprechung. Die akrobatische Tanzsprache Bonachelas ist beeindruckend: spannende Gruppensituationen, aufgeladene Pas de deux, das eine oder andere Solo. Doch ich hätte diese TänzerInnen, die ständig mögliche Grenzen ihrer Anatomie auszureizen scheinen, gerne in scharfem Licht gesehen. Und ich habe mir auch gewünscht, dass die Musik nicht pausenlos und auf dem hohen Lautstärkepegel plärrt. Denn in den emotionalen Zuständen, die Bonachela in „ab[intra]“ (Aus dem Innersten) in Tanz übersetzte, sah ich wenig Sinnliches, Zärtliches oder Lyrisches. Genau genommen, konnte ich keine differenzierten Emotionen erkennen. In den Gruppenszenen starten die Bewegungen in der Regel mit einem heftigen Anfangsimpuls, der dann verebbt. Das wiederholt sich in metrischer Regelmäßigkeit und erzeugt eine gleichförmige, wenngleich rasante Dynamik. Nur ein Solo bringt Entspannung, dazu ertönt Klaviermusik – es darf auch mal kitschig sein.sidney4

Doch bei aller Kritik: Es war Saisonschluss im Festspielhaus St. Pölten, der mit einem Fest auf dem Vorplatz und Präsentationen der Tanz- und Chor-Communities begangen wurde. Zu der herrschenden Sommer-Partystimmung hat diese überbordende Produktion perfekt gepasst.

Sydney Dance Company „ab[intra]” am 7. Juni 2019 im Festspielhaus St. Pölten

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