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maurerEntropie in der Sprache. In ihrem Stück „If What Could Be Is How Why Not“ frönt die in Wien lebende gebürtige Salzburgerin Andrea Maurer ihrer großen Leidenschaft, der Zerlegung von Sprache. Ständig wiederholte, aber in immer neue Abfolge und sich ändernden Raum gebrachte Ketten einfacher Sätze werden schließlich völlig zertrümmert, bis alles, Sprache, Bühne und Sound im Chaos endet.

Ihre am 23. Mai 2017 im WUK Wien uraufgeführte Performance beschreibt Andrea Maurer als „eine poetische Operation in Raum und Zeit“. Die Zuschauer werden eingeladen zu einem Rundgang auf der Bühne der Halle G, deren Zentrum von einem Quadrat aus schwarzen Vorhängen umstellt ist. Die Gänge am Rand sind belebt. Ein Kind sitzt am Boden und zerreißt Papier. Das Geräusch echot aus den Boxen. Eine Frau mit einem riesigen schwarzen Sack auf dem Rücken streicht um den Kubus aus Vorhang herum und versucht, in diesen mit einer dicken Luft-Wurst einzudringen. Zwei Kinder schneiden große Buchstaben aus. Nach zu reichlicher Besichtigungs-Zeit wird die hintere Flanke geöffnet, um Platz nehmen zu können auf der Tribüne.

Krööt Juurak kriecht unter dem Vorhang hinein ins Innere, liest ein paar simple englische Sätze vor. Etwa: „Die Bühne ist flach.“ „Der Nachbar atmet.“ „Die Stimme spricht.“ „Der Vorhang hängt.“ Dann geht sie ab, um sehr bald, nun anders kostümiert, erneut herein zu kriechen, diese und hinzugefügte Sätze in variierter Verkettung vorlesend. Immer wieder. Jedoch zerfallen die Sätze nach und nach, Fragmente nur noch hören wir. Der Sound wird zudringlicher. Der Vorleserin wird der schwarze Boden unter den Füßen weggezogen. Der verbleibende weiße Belag belebt sich von unten. Ein Kind legt sich auf die wandernde Beule. Zu hören ist die Suite Nr. 1 („Morgenstimmung“) aus Edvard Griegs „Peer Gynt“, intoniert von Profi-Musikern, die jedoch nicht ihr, sondern ein anderes, nicht beherrschtes Instrument spielen. Es klingt wie ein Kinder-Orchester beim Üben. Köstlich.

Und die „Morgenstimmung“ führt Kinder ein ins Geschehen. Ein Junge verwüstet den leer gebliebenen Zuschauerraum der Halle G mit zerrissenem Papier, ein Mädchen legt einen Schnipsel-Pfad, ein anderes liest Lautfolgen. Einzelne Buchstaben und Buchstaben-Kombinationen werden zu Klang ohne Bedeutung, Bausteine einer (welcher?) Sprache, die multipliziert und verfremdet zu lautem Geräusch werden. Stühle werden über die Bühne gezogen, die Vorhänge heruntergerissen. Kontrolliertes Chaos. Kein Sprachbau-Stein mehr auf dem Anderen. Zurück auf Start.

Diese Arbeit geht aus von einem Set einfacher Sätze, um diese Stück für Stück zu zerlegen. In immer andere Zusammenhänge gestellt, unterminiert das räumliche Setting diese Sätze, erzeugt Instabilitäten, dadurch Beweglichkeiten. Die Performance ist auch, wie Andrea Maurer sagt, Widerstand gegen die Vereinfachung der Sprache.

Und: Kinder sind Experten im Umgang mit Sprache, unvoreingenommen, unverbildet noch, frei von unreflektiert hingenommener Musterung und modischer Prägung, bar jeder Gewöhnung und Gewohnheit. Sie formen Sprache statt Aufgezwungenes und Konventionen zu übernehmen. Wir sollten hinhören, ihnen zuhören.

Andrea Maurer: „If What Could Be Is How Why Not“, Tanzquartier Wien am 30.11.2018

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