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amen2Zielpublikum, Inhalt und Projektqualität hätten bei den letzten drei von den beim Internationalen Tanztheaterfestival Graz gezeigten fünf Choreographien unterschiedlicher nicht sein können. An Kinder ab 4 wendete sich die russische Tanzkompanie MINI-A-TOUR (Alexander Bondarev, Yulia Tokareva) in ihrer Tanztheaterperformance „Vom Mond gefallen“. Einen finalen Höhepunkt stellte jedoch die Präsentation „A – M e N“ der Cie. Etay Axelroad aus Israel dar.

In „Vom Mond gefallen“ wird die Geschichte eines kleinen Mädchens erzählt, dessen Neugierde es auf die Erde fallen lässt, wo ihm eigenartige Wesen begegnen: eine schlaue, unruhige Ratte und ein erfindungsreicher Kater. Diese sind es schließlich, die dem heimwehgeplagten Mädchen wieder zurück auf den Mond verhelfen. Bewegungstechnisch besonders gut gelingt dem darstellerisch und im Umgang mit kindgerechten Denken und Schauen versierten Alexander Bondarev seine Rolle als Ratte. Insgesamt aber fehlt es dieser weitgehend eindimensionalen Interpretation eines facettenreichen Inhalts an fantasiebeflügelnder, spielerischer Leichtigkeit und an Charme. Die kleine Gruppe an jungem Publikum war zwar still, aber ein vor Begeisterung in die Geschichte tief Hineingezogen-Werden fand kaum statt.amen1

Für Zuschauer, die die eine oder andere Tänzerin oder den Tänzer aus den Tanz-Fortbildungsangeboten der IGT (Interessengemeinschaft Tanz) auf der Bühne erleben wollten, gab es dazu in einer Produktion der Tanzkompanie BWST (Bühnenwerkstatt) eine Möglichkeit. Außerdem gab es die Gelegenheit, den Profi-Tänzer Xianghui Zeng in Mini-Szenen und in einem kurzen, intensiven Solo sowie den seit langem geschätzten Igor Sviderski (Plesni Theater Ljubliana) wieder einmal zu erleben. Ansonsten aber bot das vollmundig angekündigte „May I Teach You My Language“ (Konzept und Idee: Ursula Gigler-Gausterer) wenig. Wurde doch eine tänzerische Umsetzung des angekündigten Inhalts nur marginal griffig und mit geringem künstlerischen Anspruch offeriert; zu sehen war lediglich und wenn überhaupt eher altbekannte Formen der thematischen Aufbereitung. Dass auch der Profi-Choreograph Evgeny Kozlov nicht mehr aus der bunt zusammengewürfelten Truppe herausholen konnte, mag nicht nur dem unterschiedlichen Können, sondern auch einer zu kurzen Erarbeitungs- bzw- Probenzeit geschuldet sein.
                                                     
amenWas die beiden Tänzer Yoni Simon und Etay Axelroad in ihrem Stück „A – M e N“ in 30 Minuten auf die Bühne zu zaubern bzw. zu knallen verstehen, ist von einer Intensität und einem nachhaltigen Eindruck, wie ihn andere nicht in einer dreifachen Performance-Dauer auch nur annähernd erreichen. Und das bei und mit einem Thema, welches nicht unbedingt aufgelegt ist für die Darstellung durch Männer: die der tiefen Emotionen, der (enttäuschten) Liebe; die eines emotional gebrochenen Menschen, der, hinreißend – gleichermaßen feinfühlig wie erruptiv visualisiert in 2 Personen – nach sich selbst, nach neuem Gleichgewicht sucht. Bewegungstechnisch-tänzerisch mit großem Können und zielgerichteter Genauigkeit ausgeführt kreieren die beiden Tänzer (Choreographie Etay Axelroad) im Fluss befindliche Gefühls-Skulpturen eigenwilliger, kaum noch gesehener Formationen. Tief berührend der Versuch erinnerter wie ersehnter neuerlicher Verschmelzung mit dem Geliebten. Bar jeder Verschnörkelung, zusammengesetzt aus Abstraktem wie angedeutet Konkretem, sitzt jede kleine Bewegung punktgenau und hinterlässt immer deutlicher eine aus Faszination entstehende Anspannung im Körper des Rezipienten (!). Begeisterter Applaus der nicht allzu großen Gruppe jener, die sich Unbekanntem, Ungewöhnlichen auszusetzen bereit ist.

Theater im Palais, KUG Graz: „Vom Mond gefallen” am 19. Juli 2018; “May I Teach You My Language” am 20. Juli, “A – M e N” am 21. Juli im Rahmen des Internationalen Tanztheaterfestivals Graz