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Odeon1Mit „Das Rauschen der Flügel“ hat das Serapions Ensemble seine Trilogie „Fidèles d’Amour“ eröffnet. Im Mittelpunkt steht die Suche nach Erkenntnis, die das Ensemble um Erwin Piplits, Max Kaufmann und Ivana Rauchmann mit Textcollagen, Musik, Gesang und Tanz verfolgt. Die poetische Umsetzung in einer bildgewaltigen Bühneninszenierung wird zu einer rätselhaften und irrlichternden Reise.

Theater im Theater – letzte Aufwärmübungen, Requisiten werden verschoben, der Scheinwerfer funktioniert nicht. Sobald er eingesteckt wird, gibt es einen Kurzen – nein, nur im Theater. Die Finsternis ist Anlass für einen Dialog im Wiener Dialekt über das Hören, der gleichzeitig die Agenda setzt: „“hearst mi a, wann i nix sag?“, fragt der eine den Anderen. „Ja, i hear di“, „a wann i nix sag?“Odeon2

Ähnlich absurde Fragen begegnen einem jungen Mann auf seiner Suche nach Erkenntnis. Sein personifiziertes „Wesen“, das „Gemüt“ leitet ihn durch die Schluchten des Unbewussten, Unbekannten. In traumartigen Sequenzen begegnet er der Lady in Rot, die er liebt, für die er aber keine Verantwortung tragen will. Oder ist es umgekehrt? Denn wenig später tauschen die beiden Rollen, drehen den Dialog um. Jedenfalls haben sie wichtigeres zu tun als füreinander da zu sein … Im Gegensatz zu ihnen mühen sich zwei Wanderer miteinander ab. Einer nimmt den anderen abwechselnd auf den Rücken und schleppt ihn weiter, später werden sie auf ihrer Reise durchaus sinnesfreudig philosophieren und am Ende den Weg weisen. „Ich zeige dir das Rauschen der Flügel Gabriels“, sagt er. „Wisse…“ Noch einmal verändert sich das Bühnenbild: auf dem Hintergrundprospekt bewegen sich Riesenschwingen aus Licht, aus denen die Flügel des Engels Gabriel bestehen.

Odeon3Der Tod der Mitbegründerin und Co-Leiterin Ulrike Kaufmann 2015 hat für das Serapions Ensemble eine Zäsur bedeutet. Ihre Kostümen bestimmen zwar nach wie vor das Erscheinungsbild der Serapions-Produktionen. Doch auch wenn die Bühnensprache weiterhin unverwechselbar opulent und sinnlich ist, so ist seit der letztjährigen Produktion „… Am Abend der Avantgarde“ auch der Text als essentielles Element dazu gekommen. Der Dreiteiler „Fidèles d’Amour“ wurde von den Schriften des iranischen Philosophen Suhrawardi (1153-1191) inspiriert und regte die Serapionten zu einer Textsuche durch die Jahrhunderte an. In „Das Rauschen der Flügel“ werden Weisheiten östlicher und westlicher Dichter und Denker von Rumi bis Goethe, von Gilgamesch Epos bis Corpus Hermeticum, vom Mittelalter bis zur Neuzeit nebeneinander gestellt. In diesen Texten wird ebenso wie in der theatralen Bildersprache Trennendes zu Verbindendem. Aus einer Versammlung von Orientalen in der Wüste wird im Handumdrehen ein Kaffeehaus, die Suche des westliche Mannes führt ihn in den Osten. Das Ensemble verwandelt die Bühne zu immer neuen Stationen in der Erkenntnissuche, etwa mit einem wirbelnden Tanz der Derwische oder einem rhythmischen Stampftanz dickbäucher, bärtiger Männer. Ein anderes Mal werden nackte Äste zu einem zart schwebenden Mobile zusammen gebaut, das das kosmische Gleichgewicht darstellen könnte. So begegnet die Erkenntnis dem Suchenden in unterschiedlichsten Erscheinungsformen – sie scheint so nah und doch so fern zu sein…

„Das Rauschen der Flügel“, gesehene Vorstellung am 9. März 2017, Weitere Vorstellungen am 11.,  16.-18. März, 16., 17. Und 24. Mai. Premiere von „Rebellion“ am 5. Mai im Odeon