Hauptkategorie: Kritiken

KonsWas mit der postmodernen Coolness von Trisha Brwon begann, endete mit einem tänzerischen Fanal von Doris Uhlich: Mit einem vielfältigen, zeitgenössischen Programm präsentierten sich die StudentInnen des BA Studienganges für Zeitgenössischen und Klassischen Tanz der Konservatorium Wien Privatuniversität. Besonders die TänzerInnen der Abschlussjahrgänge überzeugten durch ihre Wandlungsfähigkeit.

Die Gegensätze zwischen dem Anfang und dem Ende des Abends von Kons/tanzt könnten nicht größer sein. In Trisha Browns „Set and Reset/Reset“ (einem Ausschnitt aus der Originalchoreografie „Set and Reset“ aus dem Jahr 1983) üben sich die StudentInnen des 3. Und 4. Jahrgangs im Understatement. Die Aufgabe lautet: tun, nicht präsentieren. Seit der Einstudierung im Jänner dieses Jahres mit der langjährigen Brown-Tänzerin Shelley Senter, haben sie den beiläufig-lässigen Stil der bahnbrechenden Choreografin der Postmoderne in ihre Körper integriert, haben die vorgegebene Struktur mit ihrem eigenen in Improvisationen entwickelten Material zu einer organischen Synthese gebracht. Es ist ein hypnotisches Vergnügen, den zufällig wirkenden Begegnungen und Berührungen und den dadurch ausgelösten Bewegungen zu folgen. Zum Sound von Laurie Anderson entwickelt sich dieser Fluss mit äußester Gelassenheit – nur hin und wieder wird er durch eine Handlung jäh unterbrochen, etwa wenn ein Tänzer von einer Kollegin unsanft ins Out gestoßen wird, oder wenn zwei in akrobatischen Übungen miteinander verflochten sind. Doch so plötzlich diese Momente auftauchen, so schnell sind sie auch wieder vergangen. Loslassen im doppelten Wortsinn, lautet die Devise: die Spannung im Körper loszulassen und in einen „alltäglichen“ Bewegungsmodus (wie einfaches gehen, schwingen, drehen) zu überführen einerseits, und andererseits die Situationen ohne Aufhebens vorbeiziehen zu lassen. Eine Mega-Herausforderung für StudentInnen, die in den letzten vier Jahren mit täglich mehrstündigem Training ihre Körper gestählt haben, die gelernt haben, Positionen zu halten und Tanz zu präsentieren.

Das dürfen sie in Ausschnitten aus „Schwanensee Remixed“ von Liz King und Catherine Guerin zeigen. Zumindest ansatzweise baut diese Choreografie aus dem Jahr 1999 auf dem Bewegungsmaterial des klassischen Balletts auf, auch wenn die verschobenen Körperteile und überstreckten Gliedmaßen die akademische Schule weit hinter sich lassen. Ähnlich verfuhren Pulsinger & Tunakan auf musikalischer Seite. In ihrem Originalscore verfremden sie zwar Tschaikowskis Musik mit heutiger Elektronik, und lassen sie dennoch bestehen. Esther Balfe hat diese wunderbare Arbeit als Tänzerin des Tanztheater Wien an der Volksoper mitkreiert und nun Ausschnitte daraus mit ihren StudentInnen einstudiert. Dabei hat sie die Rollen vervielfacht, Solo-, Duo- und Triovariationen wurden so zu einem bemerkenswerten Corps de Ballet erweitert.

Auch der erste Jahrgang präsentierte sich in Christina Medinas Choreografie der geometrischen Muster „The ins and outs of nuts and bolts“ ganz professionell und tanzte erstaunlich sauber. Der zweite und dritte Jahrgang war an diesem Abend in drei Stücken mit je sechs TänzerInnen und jeweils unterschiedlichen Spielarten des zeitgenössischen Tanzkunst vertreten: von den Lehrerinnen der Konservatorium Wien Privatuniversität Christina Medina („State of Flux“) und Virginie Roy („Zuhause – 6 Monologe“) sowie der Gastchoreografin Nicole Berndt-Caccivio. In ihrer tanztheatralisch inszenierte Arbeit „ent-setzt!“ hat sich Berndt-Caccivio für Ravels „Bolero“ entschieden, der die konfliktiven Verstrickungen der TänzerInnen musikalisch untermalt.

Als Abschiedsgeschenk gab es für den 4. Jahrgang zum Studienabschluss eine Choreografie von Doris Uhlich. Zu R&B, Funk und Techno wird in "Energetic Bodies" richtig abgetanzt, nachdem sich die TänzerInnen zu Beginn erst einmal langsam ganz der Schwerkraft hingegeben hatten. Auf der „Suche nach ihrem Selbst“ könnte der Untertitel heißen, wenn sie bis zum Exzess rocken und versuchen ihre (stramm trainierten) Muskeln mehr oder weniger erfolgreich zum Zittern und Wabbern zu bringen. Doch sie hauen sich rein, lassen sich von der Musik aufwühlen und treiben. Die Stimmung heizt sich zusehends auf, sodass es für das Publikum immer schwieriger wird, auf den Stühlen zu bleiben. Verdienter, jubelnder Applaus für einen bunten Abend des Gegenwartstanzes.

KONS/tanzt am 26. März 2015 im Werk X