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coupfatalDie kongolesischen Musiker sind großartig und mitreißend. Würde man dabei nicht auf seinem Sessel im Burgtheater kleben und hätte die Gelegenheit mitzutanzen wäre "Coup fatal" ein durchaus freudiges Konzerterlebnis. Leider aber hat man es als Theaterinszenierung konzipiert und diese bedient gängige Afrika-Klischee – kommentar- und perspektivenlos wird hier Macho-Gehabe zelebriert.

Zwar steht der inhaltliche und emotionale Gehalt der Arien von Gluck, Händel und Vivaldi, die der Countertenor Serge Kakudji mit seiner natürlich timbrierten Stimme singt, in krassem Gegensatz zum Afropop der E-Gitarren und Perkussionsinstrumente des Ensembles. Doch den Übergang vom Barock zur afrikanischen Tradition haben die musikalischen Leiter Fabrizio Cassol und Rodriguez Vangama (der auch als Dirigent der 14-köpfigen Band und Gitarrist auf der Bühne steht) publikumswirksam hingekriegt - es rockt.

Fatal war bei diesem Coup jedoch die Zusammenarbeit mit Alain Platel, der für die künstlerische Leitung verantwortlich zeichnet. Zuvor hatten Platel  und Cassol mit "vspr" und "pitié!" Werke von unentrinnbarer Dringlichkeit kreiert. Doch nun sind sie hoffnungslos in die Banalität abgeglitten. Die politisch-.gesellschaftlichen Referenzen und Konnotationen werden unreflektiert vorgeführt. Die blauen Plastikstühle, mit denen die Akteure die Bühne erstürmen, spielen auf ein "Geschenk" von Präsident Kabila an. Wenn die Musiker in abstrus-dandyhaften Outfits posieren, schlüpfen sie in die Rolle der "Sapeurs", die sich in Kinshasa mit Second Hand Mode stylen - doch die Parodie wird zur Farce, die Männer mit ihren exzessiv kreisenden Becken wirken schlicht lächerlich. Freilich sind die goldenen Vorhänge aus Patronenhülsen (Bühnenbild: Freddy Tsimba) ebenso wie die Uniformen und jene Szenen, in denen die Musiker militärische Haltung mimen, eine Anspielung an die Kriegsrealität im  zentralafrikanischen Staat. Doch hier werden sie nicht zu Statements, sondern sind lediglich unverbindliche Gags und schrullige Späßchen. Als sich die Sänger Russell Tshiebua und Bule Mpanya in den Zuschauerraum begeben und zu heißen Rhythmen zwei Frauen aus dem Publikum zum Tanz auffordern, wähnt man sich eher auf einer Party im Club Méditerrané.

Platel lässt sich bei seinen Produktionen vom Material, das seine TänzerInnen anbieten, leiten. Das funktioniert mit erfahrenen DarstellerInnen, hier aber waren die Akteure großteils Theater-unerfahrene Musiker. Und so fehlte dieser "Hommage an die Musik des Barock und die düstere Eleganz des Krieges" (Festwochenkatalog) die nötige Sensibilität im Umgang mit den Performern ebenso wie mit dem Thema – immerhin bedeutet der Titel „Todesstoß“.

Serge Kakudji / Alain Platel / Fabrizio Cassol / Rodriguez Vangama: "Coup Fatal" am 11. Juni im Burgtheater im Rahmen der Wiener Festwochen