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stuartmegMensch & Monument. Angesichts von monumentalen Musikstücken muten menschliche Bemühungen der Aneignung dieser Musik durch Tanz  zuweilen trivial an: In „Built to last“ arbeitet  Choreografin Meg Stuart / Damaged Goods, in einer Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen,  erstmalig mit klassischer und zeitgenössischer symphonischer Musik aus der Konserve. Musikdramaturg Alain Franco wählte dafür große Werke unter anderen von Rachmaninoff, Beethoven, Xenakis oder Schönberg, deren Anschein von "Monumentalität" die Choreografin durch ihre Choreografie mit fünf PerformerInnen erfolgreich dekonstruiert.

Musikstücke, die die Musikgeschichte beeinflusst haben: Stücke wie Ludwig van Beethovens „Eroica“ oder Antonin Dvoraks Neunte Symphonie „Aus der Neuen Welt“, Sergei Rachmaninovs Vespers Op. 37 No.1 oder Meredith Monks „Astronaut Anthem“. Meg Stuarts TänzerInnen begegnen den übermächtigen musikalischen Werken, mit absurd anmutenden, minimalen Gesten, oftmals reduziert auf Bewegungen der Arme. Ihre Kritik, ihre Zweifel, Resignation und Überforderung tun sie dem Publikum mit ihren Blicken kund, Scheitern an dem allzu Großen ist inklusive: „Mit Musik können wir nie sicher sein. Sie macht unsere inneren Leidenschaften äußerlich, daher ist Musik möglicherweise immer eine Drohung“, zitiert der Schauspieler Kristof Van Boven den slowenischen Philosophen Slavoj Zizek.

Ein zusammengestecktes Sperrholz-Dinosaurierskelett wird im Laufe der Aufführung auseinandergenommen und später wieder zusammengesetzt, die Reihung der Teile ergibt jedoch ein anderes Bild als zu Beginn. Am Bühnenhimmel dreht sich ein Planeten-Mobile, unbeeindruckt von der mit göttlicher Merkurkappe ausgestatteten Tänzerin Anja Müller. Sie versucht, den Lauf der Gestirne zu dirigieren, muss sich aber wohl selbst dem unabänderlichen Lauf beugen. Das aber tut sie mit großer Würde, wenn sie sich wie selbstverständlich vor, zurück oder zur Seite neigt, um von den vorüberziehenden „Planeten“ nicht von ihrem fahrbaren Balkon gestoßen zu werden. Grotesk muten zahlreiche Episoden an, jegliche vermeintliche Monumentalität wird dekonstruiert, wenn der Musik kontinuierlich  Ausdrücke von kläglichem, beharrlichem Scheitern entgegengesetzt werden.

„Built to last“ ist ein Plädoyer für Vergänglichkeit, dauerhafte Werte existieren nicht. Unterlaufen auch nur von minimal anmutenden subversiven Widerständen, beginnt selbst unverwüstlich scheinender Stein zu bröckeln, Ewigkeit ist ein Mythos. Auch wenn die Länge der Aufführung sich selbst wie eine halbe Ewigkeit auszuweiten schien.

Meg Stuart / Damaged Gods & Münchner Kammerspiele, ImPulsTanz Festival, 23.7.2013, 21 Uhr, Volkstheater, www.impulstanz.at