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wiltonAufmerksamkeit zu erregen war nie einfach – auch nicht für ein Geschenk. Menschen zu begeistern noch weniger – auch nicht für die Kunst. Bei der 3.Internationalen Tanzgala im ausverkauften Grazer Opernhaus gelang es Ballettdirektor Darrel Toulon jedoch für die zahlreichen Programmpunkte das – so wird gesagt – eher zurückhaltende Grazer Publikum derart zu begeistern, wie es nur äußerst selten der Fall ist: Jubelrufe nach jeder Gastproduktion, Standing Ovation am Ende des Abends.

In der Eröffnungsszene aus „Nussknacker“ mit der Compagnie der Oper Graz in der Choreographie von Darrel Toulon lenkte derselbe, höchstpersönlich auf der Bühne, die Aufmerksamkeit – allem aufgeregten Weihnachtrubel zum Trotz – mehrmals auf das Besondere unter den noch verschlossenen Geschenken.

Und das gelang ihm, wiewohl der Konzentrationsfähigkeit des Publikums während des zweistündigen Programmablaufs durchaus einiges abverlangt wurde, weil es kaum große, aufwändige Tanzevents zu sehen gab, sondern vielmehr kleine feine Pas de deux und Soli, in deren Inhalten überdies vor allem „nur“ ein Thema in Variationen abgehandelt wurde: Das der Zweierbeziehung. Aber: Jeder dieser Programmpunkte war in seiner unvergleichbar- individuellen Form für sich allein sprechend, überzeugend in seiner Qualität, wohl überlegt in seiner Aufeinanderfolge.

Der Programmbogen begann mit „Córdoba“. Im tradierten Flamenco kraftvoll verwurzelt und gleichermaßen kraftvoll auf aktuellen Tanz-Pfaden: Carlos Chamotto, kongenial auf der Gitarre begleitet von Andreas Maria Germek, mit viel Sensibilität und Mut zur Langsamkeit neben explosiven Passagen Bewegungs-Gegensätze verbindend, fast immer in stimmigem Fließen.

Klassisch-Zeitgenössisches auch im darauffolgenden Duett „In the Rain Again“, choreographiert von Paul Julius. Was vorerst mit zarter Annäherung beginnt, von einer Grazie der Natürlichkeit über weite Strecken getragen wird (Tanz: Davina Kramer, Rustam Savrasov) endet schließlich in fliegend getanzten Emotionen auf hartem Boden.

„Klangräume füllen und Bewegungsräume fühlen...“ wird als Intention der Choreographie „Sunawachi“ von Yaroslav Ivanenko angeführt. Die von ihm und von Hiroko Asami mit faszinierender Geschmeidigkeit getanzte Interpretation zeichnet sich besonders durch zurückhaltende, vielleicht gerade deswegen besonders wirkungsvolle Eigenwilligkeit aus.

Das (partnerschaftliche) Feeling von heute trifft der junge Choreograph James Wilton mit seinem „Drift“ punktgenau: Offensichtlich nachvollziehbar für alle, wenn man den tosenden Applaus des Publikums miterlebt hat, und freilich nicht möglich ohne technisch derartig versierte und an ihre Grenzen gehende Tänzer wie Natalie Trewinnard und James MacGillivray. Einer der vielen Höhepunkte.

„Lamb of God“, choreographiert von James Sutherland: Große, schnelle, männliche Gesten - kleine, zurückgenommen-nachdenkliche Bewegungen im punktuellen Licht eines Verfolgers, einer Taschenlampe, die sich auch zurücknimmt, das Halbdunkle nicht scheut, den Körper nur partiell beleuchtet, auch einmal in die Dunkelheit führt, und eingebettet in scharf konturierte Schnitt-Technik. Erinnertes manifestiert sich mit Eindringlichkeit in seiner diffusen Schärfe in der Performance von Cornelius Mickel.

In der Forsythe-Choreographie „New Sleep“, grundsätzlich angelegt in der ihm seit jeher eigenen, neuen Ästhetik ist ebendiese - jedenfalls zu Beginn – gebrochen, was die Aufmerksamkeit um ein Weiteres erhöht: Mechanisch ist nicht nur der Rhythmus, sondern auch die Bewegung des mit Perfektion agierenden Paares Katherina Markowskaja und Noah D. Gelber. Der Zugang für den Zuseher bleibt auch in der sich immer mehr fließend präsentierenden Entwicklung ein distanzierter - herausfordernder Kontrapunkt zur Augenweide.

Dass der zweite Teil des Abends wiederum von der hauseigenen Compagnie und „klassisch“ mit Tschaikowski (Rosen-Adagio aus Dornröschen) eingeleitet wird, öffnet gastfreundlich das Tor für weitere Gäste. Allein bei der Szenenauswahl hätte den „Grazer“ TänzerInnen etwas mehr Gelegenheit geboten werden können, ihr Können zu zeigen.

Ein nächster Höhepunkt folgte mit dem „Duett 012“ (Choreographie und Tanz: Rosana Hribar und Gregor Lustek, Plesni Teater Ljubljana). Ein derartig homogenes, dynamisch präsentiertes Potpourri aus spielerischer Akrobatik, ungewöhnlichen Bewegungsabläufen, retardierenden „Installationen“ und viel Humor, im zweiten Teil zusätzlich akustisch „selbst begleitet“ – so etwas war noch kaum zu sehen. Im Atem beraubendem Kontrast dazu die melancholische Choreographie „Passacaglia“ von Vasco Wellenkamp: Pathetik zum Hinknien, wenn sich Dramatik aus der Romantik schält, die dann ihrerseits wiederum schräg verbrämt wird (Tanz: Fábio Pinheiro, Patrícia Henriques).

Und ein weiteres, ein letztes Mal ein Duo der hochkarätigen und ganz anderen Art: Ein Crossover aus Tanz und Akrobatik und einem Plot zum Tränen-(Unter)drücken: „(How to be)Almost There“, auf die Bühne gezaubert von Tim Behren und Florian Patschovsky, die auch, gemeinsam mit Anne Hirth und Maya Lipsker, für die Choreographie verantwortlich sind.

Wenn der Abend mit einer Szene aus dem Nussknacker, dem „Schneeflockenwalzer“, ausklang, so half diese heitere Leichtigkeit beim geschmeidigen Zurückfinden auf den Boden.

„3. Internationale Tanzgala“ in der Grazer Oper am 10. Dezember 2011

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