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In „Prometheus – Landscape II“ misst Jan Fabre einen antiken Mythos und seinen Helden an der Gegenwart. Seine Zeichnungen des Zyklus „Die Jahre der Blauen Stunde“ im Kunsthistorischen Museum künden von der geheimnisvollen Stunde zwischen Tag und Nacht.

Über das Dach des Kunsthistorischen Museums erhebt sich zur Zeit ein in Bronze gegossener Mann, mit gestreckten Armen, einen Maßstab gegen das Firmament haltend. Der prominent platzierte Wolkenmesser, eine im Jahr 1999 entstandene Arbeit des belgischen Künstlers und Choreografen Jan Fabre, nimmt auch eine programmatische Pose ein. Nicht nur impulstanz hat ihm dieses Jahr einen Schwerpunkt gewidmet, auch das Kunsthistorische Museum lud ihn nach dem Louvre und dem Antwerpener Museums der Schönen Künste als drittes hochrangiges Haus der hehren Künste ein, einen Zyklus aus seinem bildnerischen Schaffen im Kontrast bzw. Dialog mit den Alten Meistern der jeweiligen Sammlungen zu zeigen.

Programmatisch weil die Figur die Gesichtszüge von Fabres jung verstorbenem Bruder trägt und sich das Todesthema konsequent durch sein vielschichtiges Schaffen zieht, programmatisch aber auch deshalb, weil die Skulptur den Künstler selbst in seinem vergeblichen und absurden Tun repräsentiert. Der Wolkenmesser als einer, der sich die unlösbare Aufgabe stellt, das Ungreifbare fassbar zu machen, die Wolke, jenes Volumen, Masse und Form vortäuschende Himmelsphänomen, einem empirischen Prozess zu unterwerfen. Die Wolke als Sinnbild des Transitorischen, des ständig Im-Wandel-Begriffenen, steckt Fabres kreativen Schaffensraum ab und weist zugleich auf die sich beim ihm ständig auflösenden Grenzen hin.

Der blauen Stunde, jenem Moment, wenn die Tiere der Nacht schlafen gehen, die Tiere des Tages erwachen und die Larven der Insekten aufbrechen und damit die Metamorphose ihren Gang nimmt, versucht sich Fabre in manchmal figurativen, manchmal großflächig abstrakten Arbeiten zu nähern. Sein Werkzeug: ein blauer Bic-Kugelschreiber, mit dem er in obsessiver Intensität Flächen und Objekte im schillernden Blau des banalsten aller Schreibgeräte überzieht – irrationale Energiefelder, wie er sie selbst bezeichnet – , aus deren Dunkelheit die Wesen seiner Phantasie Gestalt annehmen. Fabres Jahre der blauen Stunde erstrecken sich von den siebziger Jahren bis in die frühen neunziger Jahre. Das KHM zeigt bis Ende August 26 Arbeiten dieser Schaffensperiode.

„Prometheus – Landscape II“ ist eine der beiden Bühnenproduktionen, die Jan Fabre bei impulstanz präsentierte, inspiriert vom Mythos des Titanensohns, des Rebellen, den Zeus zur Strafe für seine Anmaßung, die Irdischen mit dem Feuer der Götter zu versorgen, an die Felsen des Kaukasus fesseln lässt. Prometheus ist nicht nur Symbolfigur des Aufbegehrens, sondern auch der Überbringer des Funkens, der den Geist, die Phantasie, die Kunst entfacht, doch die Menschen wissen in ihren eigenen Begehrlichkeiten die Gabe des Feuers nicht zu nutzen. Der unentwegte Ruf „We need heroes now“ klingt wie ein vergeblicher Warn- oder Hilferuf in Fabres bedeutungsprallem Szenario. Seine Bühnen-Bilder sind so aufgeladen wie die Zeit, an deren Genossen er appelliert, er rüttelt auf und versetzt in Unruhe. Viel Rauch und Unbehagen kommt über die Bühne bis in den Zuschauerraum, doch die Schwaden verflüchtigen sich auch wieder, was man darunter vermisst, sind kleine Funken an Emotion, die sich nachhaltig ins Bewusstsein nisten.

Troubleyn/Jan Fabre: „Prometheus – Landscape II“ am 19. Juli 2011 bei Impulstanz im Volkstheater Wien

Jan Fabre: „Die Jahre der blauen Stunde“ im Kunsthistorisches Museum, bis 28. August 2011