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kammeroperDie kleinen, aber feinen Produktionen selten gespielter Opern in der Wiener Kammeroper sind immer eine Entdeckung wert. Auch die letzte Premiere mit einem Doppelprogramm aus Milhauds „Le pauvre matelôt“ und Antheils „Venus in Africa“ (als szenische Erstaufführung in Österreich) überzeugen durch die Stück-gerechte Regie von Giorgio Madia und die hervorragenden jungen SängerInnen.

Auch wenn Darius Milhaud seine Oper „Le pauvre matelôt“ (1926) als Dreiakter bezeichnet, so ist sie doch so kurz wie ein Einakter und die drei Akte sind eigentlich Szenenwechsel, die durch eine Konstruktion aus verschiebbaren Wänden mit Türen räumlich vorgenommen werden (Bühne und Kostüme: Cordelia Matthes).  Das nach einer wahren Begebenheit verfasste Libretto von Jean Cocteau erzählt die Geschichte eines Matrosen, der bei seiner Rückkehr nach 15 Jahren Abwesenheit zu Hause nicht erkannt wird. Er  beschließt, seiner ihm stets treuen Frau einen dummen Streich zu spielen, täuscht sie über seine Identität und wird schließlich von ihr erschlagen, da sie meint mit dem Geld des Matrosen die Freiheit ihres vermissten Mannes kaufen zu können. Der Choreograf und Regisseur Giorgio Madia spielt mit der Ambivalenz der handelnden Personen, vor allem jener der Frau, die durch die puritanische Treue zu ihrem vermissten Mann sich und ihren Vater dem (finanziellen) Ruin preisgibt und darüber zur Mörderin wird. Das Drama bleibt in der in dunklen Farben gehaltenen Inszenierung distanziert und ungreifbar. Madias Regie reflektiert damit Milhauds Komposition mit Anklängen an U- und Tanzmusik, deren Stil vom Musikschriftsteller Hans Heinz Stuckenschmidt einst als „holzschnittartig“ bezeichnet wurde.

„Venus in Africa“ hat hingegen die heitere Beziehungskiste des amerikanischen Paares Yvonne und Charles auf Urlaub in Tunis zum Thema. Die gegenseitigen Vorwürfe reiben sie einander auf Täfelchen unter die Nase während die Musik von George Antheils die banale Streiterei mit Referenz zu Musical und Revue ironisch kommentiert. Als Yvonne ihre Koffer packt und Charles verlässt, stellt er ihr eine Falle, indem er ihr zum Abschied einen Haufen vermeintlichen Falschgeldes schenkt. Allein gelassen erscheint ihm die Göttin Venus, die ihm eine verwirrende Liebeslektion erteilt, das Falschgeld in gültige Noten verwandelt und das Happy End herbeiführt. Madias Regie zeichnet sich bei dieser Oper durch eine sorgfältige Führung der DarstellerInnen aus und baut auf deren (Schau-)Spielfreude. Wie immer in der Wiener Kammeroper sind auch diesmal wunderbare junge SängerInnen zu sehen und zu hören. Allen voran Diana Higbee mit ihrer vollen, warmen und doch strahlenden Sopranstimme, aber auch der Bariton Andreas Jankowitsch, der Tenor Pablo Cameselle und Mento Nubia, der seine Bass-Klangfarbe beliebig changieren kann. Nazanin Ezazi nimmt als Venus nicht nur durch ihre Stimme, sondern auch durch ihr sinnliches Spiel gefangen. Tadellos das Orchester unter der Leitung von Daniel Hoyem-Cavezza.

Insgesamt also wieder eine sehr gelungene Produktion der Wiener Kammeroper, die ja auch eine kleine, architektonische Präziose mit ausgezeichneter Akustik ist. Es bleibt zu hoffen, dass das Theater einen Ausweg aus seinen akuten, finanziellen Nöten findet. Die künstlerische Qualität kann wohl nicht der Grund für die Budgetkürzung beziehungsweise -streichung des Bundes sein.

„Le pauvre matelôt“ und „Venus in Africa“ am 19. Mai 2011 (Premiere 18. Mai) in der Wiener Kammeroper

Weitere Vorstellungen: 21., 24., 26., 28., 31. Mai und 2., 4., 7., 9., 11. Juni 2011

www.wienerkammeroper.at