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neujahrsolistenDie Balletteinlagen im Neujahrskonzert 2011 hatten diesmal besonderen Charme. Der aus Frankreich stammende Choreograph Jean-Guillaume Bart erzählte zu Polka Mazur und Walzer richtige Geschichten, die durch die prächtigen Kostüme von Johann Engels reizvoll unterstrichen wurden.

So unaufgeregt, delikat und dezent waren die Gesten und Bewegungen von Franz Welser-Möst beim traditionellen Neujahrskonzert im Goldenen Saal des Musikvereins, als wäre der Dirigent ein Danseur noble mitten im Corps des Wiener Staatsballetts. Tanzbegeisterte mussten sich ohnehin lange Zeit mit der Performance am Dirigentenpult begnügen, bis endlich die Polka Mazur „ Aus der Fremde“ von Strauß-Bruder Joseph erklang, zu der Maria Yakovleva mit Eno Peci mit dem Corps de ballet im Foyer der Staatsoper tanzten. Zum fünften Mal hatte Johan Engels die Kostüme für das Neujahrs-Ballett entworfen und sich diesmal Besonders einfallen lassen: Die Tänzerinnen trugen schillernde Röcke aus Satin und Brokat in mattglänzenden Farben, die vorne offen waren, den Blick auf die langen Beine der Ballerinen und kurze Höschen frei gaben. Geschickt hat Choreograph Jean-Guillaume Bart, zugleich Etoile im Ballett der Pariser Oper, das Treppenhaus und die Stiegengeländer der Oper genutzt und den Paaren reichlich Gelegenheit gegeben, zu zeigen, dass sie sich im geschmeidigen Rhythmus der Polka Mazur wohl zu bewegen wissen. Yakovleva (seit September Erste Solotänzerin) und Peci beeindruckten als überaus vornehmes, schmiegsames Paar. Peci, der auf der Bühne auch durch seine darstellerischen Talente glänzt, ein eindrucksvoller Tybalt („Romeo und Julia“) ebenso ist wie ein verträumter Lenski („Onegin“), brachte sich durch seine Anpassungsfähigkeit und Eleganz wieder lebhaft in Erinnerung.

Wohl durch den Direktionswechsel in Oper und Ballett bedingt, wurde der große Walzer heuer ausnahmsweise nicht im Sommergarten eines der heimischen Schlösser aufgezeichnet, sondern erst kürzlich im verschneiten Ambiente des Schlosses Laudon  am Rand von Wien. Bart deutet in seiner Choreografie zum Josef-Strauß-Walzer „Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust“  (später als Filmmelodie zum Heurigenlied „Es muss ein Stück vom Himmel sein“ mutiert) genau das an, was der Titel verspricht: Lieb und Lust von drei Paaren im verschwiegenen Schloss. Flirrende Erotik, verwirrende Überraschung und schließlich erlöste Walzerseligkeit. Yakovleva mit Peci, Irina Tsymbal mit Michail Sosnovschi und Natalie Kusch mit dem jungen Davide Dato schwebten durch die barocken Räume, als wären sie hier zu Hause. Die ganz unterschiedlichen Kostüme der drei Damen zollten dem Ambiente durch einen Hauch von Trachtenlook Respekt und waren durch eine Fülle von Tüllunterröcken doch so luftig leicht, dass tänzerisches Heben und Schweben ganz einfach war.

Auch der Choreografie des Donauwalzers unterlegte Bart eine Erzählung und Engels half durch die Kostüme mit. Erinnerungen an das erste Ballerlebnis drängten sich auf, als die vier Paare aus der Ballettschule des Staatsballets in unbekümmerter Frische ihre Pirouetten setzten. In weißen halblangen Tütüs aus weißem Tüll und grauen Hosenanzüge machten die Jungdamen und Jungherren nicht nur optisch sondern auch tänzerisch besten Eindruck und gaben sich ganz dem Ballerlebnis hin. Manche nähern sich dem anderen Geschlecht mit Verve, andere mit ängstlicher Gelassenheit und der Schüchterne möchte am liebsten wieder nach Hause unter Mutters Rock, entschließt sich dann aber doch, einer jungen Dame den Arm zu reichen. Perfekt klappte der Anschluß des im Foyer des Musikvereins aufgezeichneten Teils zum Liveeinstieg in den Goldenen Saal. Perfekt hat Bart auch die Peinlichkeiten der vergangenen Jahre umgangen, nicht auf putzige Engerl die Omaherzen rühren sollten gesetzt, sondern Elevinnen und Eleven an der Schwelle zum Erwachsensein gewählt, die vielleicht demnächst auf der Bühne der Staatsoper oder Volksoper (etwa wenn die „Jungen Talente des Wiener Staatsballetts“ vorgestellt werden) tanzen werden.

So perfekt die Tanzeinlagen auch künstlerisch und technisch gelöst waren, auf die Moderatorin Barbara Rett machten sie wenig Eindruck. Sie plauderte munter über Kleiderfragen und erzählte, was der Dirigent angezogen hatte (als ob der Fernsehschirm eine Mattscheibe wäre), anstatt die SolistInnen vorzustellen oder wenigstens beim Namen zu nennen. Daran will ich mich noch immer nicht gewöhnen, dass Seitenblick-Getratsche oder Daten, die mühelos aus Wikipedia herauszulesen sind, wichtiger genommen werden, als eine Lanze für den Tanz zu brechen. Ausgerechnet in einem Konzert mit Tanzmusik.

Junge Talente des Wiener Staatsballetts am 29., 31.Jänner und 4. Februar, 19 Uhr, Volksoper.