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buchemotion1Der Tanz hinter den Kulissen geschieht ohne Publikum. Und doch wollen Ballettfans ihre Lieblinge auch gern ohne Maske und Kostüm aus der Nähe sehen. Ein prächtiger Bildband macht das möglich und gibt Einblicke in den Alltag der Tänzerinnen und Tänzer des Wiener Staatsballetts abseits der glanzvollen Bühnenauftritte. Backstage werden aus Märchenfiguren irdische Wesen.

Nach dem Auftritt, einfach auf dem Boden sitzen, den Kopf in die Hand gestützt, schwitzend, nachdenkend, ob alles in Ordnung war. Oder vor der Vorstellung, lang ausgestreckt auf der Matte liegend, konzentriert durchatmend. Nach der Bühnenprobe Hand in Hand mit dem Ehemann über den Gang spazierend; im Kostüm, mit einem feuchten Tuch auf der Stirn einsam auf einem Sesselstapel lehnend; versunken die eigenen, endlich aus der Fessel des Spitzenschuhs erlösten, nackten Füße betrachtend, fröhlich kichernd in einer Ecke des Probensaals stehend oder im Hexenkostüm vor dem Auftritt noch schnell ein Telefonat erledigend und immer wieder an der Stange arbeitend, dehnen, strecken, beugen, langer Hals, Becken nach vorn, Nase zum Knie … Kaum jemals hat das Publikum Gelegenheit die Tänzerinnen und Tänzer des Wiener Staatsballetts so hautnah zu erleben wie mitbuchemotion2 Lois Lammerhubers Bildern.

Der international renommierte Fotograf  hat das Staatsballett vier Monate lang – von September bis Dezember 2011 –  mit der Kamera beobachtet, bei den Proben, vor und nach der Vorstellung, angespannt, erschöpft, nachdenklich, glücklich, entspannt, konzentriert oder verträumt.

Nicht immer sind zauberhafte Feen und elegante Schwäne zu sehen, unbeobachtet wandeln sich die Schwäne in tollpatschige Enten und die Feen in verschwitzte Akrobatinnen. Jetzt sind sie ganz Mensch. Die Bilder sind überdies ein Abbild der Saison 2011/12 – mit dem „Balanchine & Robbins“-Abend, der Premiere von „La Sylphide“, dem Abend „Schritte und Spuren“ und schließlich den Proben zu „Dornröschen“. Im Vorwort der Herausgeber (Manuel Legris und Dominique Meyer) ist allerhand Interessantes über das Staatsballett und die Rituale der Mitglieder zu erfahren und mit Recht weist Legris auch auf seinen Landsmann, den Maler Edgar Degas hin, der gut 130 Jahre vor Lammerhuber schon Tänzerinnen backstage beobachtet und ihre Bewegungen und Gefühle (Motions und Emotions) mit Pinsel oder Pastellkreide eingefangen und festgehalten hat. Beiden Künstlern geht es nicht um Präsentation und Wirkung nach außen, sondern um die Tänzerin, den Tänzer an sich. Wobei Lammerhubers Aufnahmen sich von Degas Bildern in einem Punkt wesentlich unterscheiden: Die aktuell Porträtierten sind Persönlichkeiten, haben einen Namen und ein Gesicht. Bei Degas sind es anonyme Wesen. Ihm ging es weniger um die Individuen als um die Bewegung der Körper (in Ruhe).

Bei Lammerhuber wird der großartige Band zu einer Hommage an die Mitglieder des Wiener Staatsballetts, wobei die Bereitschaft, sich beobachten zu lassen, wenn man sich eigentlich unbeobachtet fühlt, die Großzügigkeit des Ensembles zeigt. Ein ausdrucksstärkeres, innigeres und auch authentischeres Ballettbilderbuch kenne ich nicht.

Manuel Legris, Dominique Meyer, Fotografie: Lois Lammerhuber: „[E]Motion. Wiener Staatsballett Backstage“, Edition Lammerhuber 2012, 308 Seiten 230 Fotos, Deutsch, Englisch, Französisch

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