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tsymbal_sylphideFür die Staatsopern-Premiere des romantischen Balletts „La Sylphide“ probt Irina Tsymbal ihre Traumrolle – eine Fee. Sie verliebt sich in den schottischen Schäfer James, der zwar knapp vor seiner Hochzeit steht, ihr aber dennoch verfällt. Doch diese Liebe ist tödlich.

Schwarz wie Ebenholz, rot wie Blut, weiß wie Schnee. Schneewittchen schwebt ins Café Mozart. Verzückt starrt der Ober das filigrane Wesen an. Drei Mal muss die junge Frau ihren Wunsch nach grünem Tee wiederholen, der Ober kann sich nicht losreißen von den großen blauen Augen, im blassen Gesicht, dem tiefschwarzen zum Pagenkopf geschnittenem Haar und dem sanften Lächeln im zarten Gesicht. Doch Irina Tsymbal, Solotänzerin am Wiener Staatsballett ist ganz und gar von dieser Welt. Auch wenn sie demnächst als Sylphide über die Bühne schweben wird.

„La Sylphide“, geschaffen vom Choreografen Filippo Taglioni und seiner Tochter, der Tänzerin Marie Taglioni, ist das romantische Ballett schlechthin. Uraufgeführt 1832 in Paris, hat die Geschichte von der geflügelten Fee, die sich in den schottischen Schäfer James verliebt, bis heute nichts an Charme und Poesie verloren. Auch Tsymbal gerät ins Schwärmen, wenn sie von der Rolle erzählt, die für sie ein Höhepunkt ihrer Karriere ist. Für sie ist die Sylphide, die wie alle Naturgeister ein menschenähnliches unsterbliches Wesen ist, überhaupt nicht fassbar. „Sie ist etwas Mysteriöses, nichts Wirkliches, mehr die Sehnsucht, die sich für James materialisiert. Sie ist etwas so Wunderschönes, dass jeder Mensch danach verlangt.“

Die Ballerina, Solistin im Staatsopernballett,  sieht die Geschichte von Sylphide, dem ätherischen Sein, das sterben muss, wenn ein Sterblicher es bannen will, als Metapher für das Leben: „Wir laufen doch alle hinter etwas her, was wir nicht haben können, wir suchen ein fernes Paradies und wenn wir es erreichen, ist es verschwunden. Oder es bedeutet den Tod. Nicht nur die Sylphide stirbt, auch er muss sterben.“ Die geflügelte Sylphide, die James ihre Liebe ausgerechnet am Abend vor seiner Hochzeit gesteht und mit Liebreiz und Schalkhaftigkeit nicht aufgibt, bis er ihr erliegt, sieht die Tänzerin nicht als böse: „Sie ist so liebreizend, so fein, gar nicht irdisch, romantisch eben! Doch es ist unsere eigene Entscheidung, ob wir der Verlockung widerstehen oder uns hingeben. James kann nicht wiederstehen und muss es büßen.“

Immer weiter könnte Irina Tsymbal von der fabelhaften Rolle schwärmen und ihre Gedanken dazu entwickeln. Intensiv hat sie sich, die auch im berühmten romantischen Ballett „Giselle“ brilliert, auch mit der Geschichte und der ersten Interpretin von „La Sylphide“ befasst. So kann sie mit Begeisterung erzählen, dass die Taglioni für die Rolle die damals langen Röcke der Ballerinen kürzte und nicht nur das Tutu erfand sondern auch einen Skandal auslöste. Frauenbeine hatten zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch auf der Bühne noch unsichtbar zu sein. Auch der Spitzenschuh geht auf die Taglioni zurück, die den Ehrgeiz hatte, wirklich wie eine Fee durch die Luft zu schweben. Voll Begeisterung wird die Fee zur Lehrerin: „Romantisches Ballett, das ist Schweben, Fliegen, schwereloses Dahingleiten. Damit dieser Eindruck entsteht, bewegt sich die Tänzerin oft schräg im Raum und weil die Taglioni so lange Arme hatte, die eher unelegant wirkten, hat ihr Vater diese berühmte Haltung der vor der Brust gekreuzten Arme und Hände gefunden. Der klassische Tanz ist viel realistischer, man steht kerzengerade auf dem Boden. Aber jede Epoche hat ihren Ballettstil, gerade den romantischen Stil dürfen wir nicht verlieren. Deshalb freue ich mich so, dass ich die Sylphide tanzen werde.“

Das Ballett existiert in zwei Fassungen. Basierend auf der ersten, von Taglioni kreierten, Fassung hat der dänische Choreograf August Bournonville 1836 eine Neufassung mit Lucille Grahn in der Titelrolle auf die Bühne der Königlichen Oper in Kopenhagen gebracht. Er wählte dazu Musik von Herman Severin Løvenskiold, der schottische Melodien in die Partitur eingefügt hat und damit großen Erfolg hatte. In der Wiener Premiere am 26. Oktober wird die von Pierre Lacotte 1972 für die Pariser Oper geschaffene Rekonstruktion der Ballett-Pantomime von Taglioni gezeigt. Inspiriert wurde Taglioni für seine Choreografie von einer Novelle („Trilby“) des französischen Romanciers Charles Nodier. Die Musik stammt von einem Franzosen mit dem unaussprechbaren Namen Jean-Madeleine Schneitzhoeffer. Der wusste um gutes Marketing und setzte auf seine Visitenkarten neben den Namen ein „dit Dupont“, so konnten sich die Franzosen den Namen leichter merken.

Rasante Karriere

Für das romantische Ballett hat Irina Tsymbal bereits in der Ballettakademie von Minsk Talent und Liebe gezeigt. Doch anders als viele kleine Mädchen auf der ganzen Welt, hat sie den Traum von der Prinzessin im Tüllrock nie geträumt. Und steht auch jetzt, wenn sie nicht in Schräglage über die Bühne schwebt, mit beiden zierlichen Füßen fest auf dem Boden harter Tatsachen.

Als behütete Tochter eines Akademikerpaares ist sie mit ihrem älteren Bruder in Minsk, der Hauptstadt von Weißrussland, aufgewachsen und wie viele Kinder dort mit fünf Jahren in die Volkstanzgruppe aufgenommen worden. „Das hat mir sehr gefallen, wenn ich tanzte, da war so ein Gefühl von Glück, bis zum Schreien.“ Eine Freundin überredete die Zehnjährige, mit ihr zur Aufnahmsprüfung an der Ballettakademie zu gehen. „Ich wurde aufgenommen, obwohl es mich gar nicht so sehr interessiert hat.“ Das Glücksgefühl blieb für lange Zeit aus. „Auf einmal war es harte Arbeit, was verlangt worden ist.“ Bald heimste sie jedoch Preise ein und als sie sich nach der Abschlussprüfung mit „Giselle“ in Riga vorgestellt hat, „durfte ich gleich die ganze Vorstellung tanzen“. Der Funke war übergesprungen. Nach Riga eroberte sie Vilnius und tanzte fünf Jahre als Solistin am Litauischen Opern- und Balletttheater, danach flog sie nach Budapest, um Solistin des Ungarischen Nationalballetts engagiert zu werden. 2004 konnte man die Ballerina zum ersten Mal in Österreich sein, bei einem Gastspiel der ungarischen Compagnie im Festspielhaus St. Pölten. 2005 wurde sie Solotänzerin an der Wiener Staatsoper und Volksoper und hat seitdem nicht nur Julia und Giselle, Bella und Mary Vetsera verkörpert, sondern auch in zeitgenössischen Balletten erfolgreich als Solistin mitgewirkt.

Irina Tsymbal ist keine, die es sich auf ihren Lorbeeren gemütlich macht,  sie ist ehrgeizig („Das muss man als Tänzerin sein“), willensstark („Das habe ich durch die harte Ausbildung gelernt, wir alle sind so“), selbstkritisch und nachdenklich. Deshalb weiß sie auch, dass sie nicht ewig als geflügeltes Wesen über die Bühne schweben wird. Lehrerin zu sein würde ihr gut gefallen, um „das weiterzugeben, was ich erfahren und gelernt habe.“ In der Schule des Staatsballetts sähe sie viele Verbesserungsmöglichkeiten. Eine Rolle, abgesehen die der Mutter fehlt ihr allerdings noch im reichen Repertoire. „Gerne würde ich die Kameliendame tanzen, egal von welchem Choreografen. Die Figur interessiert mich.“ Doch das ist eine andere Geschichte.

La Sylphide, Premiere an der Wiener Staatsoper: 26.10.

Reprisen: 29. Oktober, 5., 7., 12. November 2011

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