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Emancipation4Die Projekte von Marta Navaridas und Alexander Deutinger überraschen nahezu ausnahmslos jedes Mal mit anderen, ungewöhnlichen Ansätzen und Konzepten. Perspektivenwandel steht bei ihrer neuesten Arbeit besonders markant im Fokus. Weil sie sich erstmals und unmittelbar künstlerisch mit der Welt von Kindern konfrontieren und diese als direkten Inputgeber für eine choreografische Inszenierung ausgewählt haben.

Der Titel „Emancipation of Wonder / Emanzipation des Staunens“ deutet einen theoretischen Hintergrund an: Die Forderung nach Freiheit des Rezipierens von Kunst; eine, die eine Herausforderung ist, da jede Kultur auch in dieser Hinsicht normative Rahmen vorgibt, die das Publikum prägen und damit einengen. Eine weitere, damit zusammenhängende Erlebnisebene spricht Deutinger in einem kurzen Vorgespräch mit mir an, wenn er auf den Bedeutungswandel von Sprache je nach Sprecher hinweist – neben dem von vielen als abgehoben erlebten Diskurs über Kunst in Frage stellt.Emancipation2

Die Versuchsanordnung erfolgte im Rahmen der Ausstellung „Ladies First“ in der Neuen Galerie in Graz: achtjährige Schulkinder wurden aufgefordert, den beiden Projektleitern, die die Augen verbunden hatten, das, was sie in der Ausstellung sehen, zu schildern und zu erklären. Diese spontanen Äußerungen und auch Verhaltensweisen erlebt nun die kleine Gruppe der „Galerie-Besucher“ in einer Bearbeitung; scheinbar traditionell durch die Ausstellung geführt von Kunst-Profis (tatsächlich handelt es sich um PerformerInnen aus der Region). 

Emancipation3Zweierlei Kommentare nach der knapp einstündigen Veranstaltung: Ich möchte nur mehr Museums-Führungen in dieser Art erleben. Schade, dass es nicht länger gedauert hat.

Abgesehen vom Charme der Welt eines Kindes, den „Ausstellungs-Guide“ Pia Hierzegger mit zurückhaltender darstellerischer Feinfühligkeit zu vermitteln versteht – wer taucht nicht gerne in sie ein wenig ein, kennt sie nicht, diese Unbekümmertheit wie Direktheit im Schauen, dieses plötzliche, „unpassende“ Interesse für ganz anderes, das Übertreten von Verhaltens-Codes wie sich  lang ausgestreckt auf einen Sessel zu setzen und vor sich hinzuträumen oder aber auch die unbeirrbare Ernsthaftigkeit, mit der agiert wird.Emancipation5

Es tut zum Großteil unglaublich wohl, Gedanken und Reaktionen, die man kulturbeflissen selbstverständlich tunlichst verbirgt, nun am verbalen Teller ungeniert präsentiert zu bekommen: Sprache ist nichts Absolutes, sondern abhängig vom Sender; Perspektivenwandel wird hier bewusst gemacht, denn Achtjährigen werden Gedanken wie die folgenden zugestanden: Das interessiert uns nicht. Schiach! Frauen mit Glatze – interessant. Warum schmusen wir nicht (wird einem Mann in den Mund gelegt). Oder in Reaktion auf ein Bild von Graz: rot, grün, blau, ein bisserl braun…ich glaub, das ist ein Bild von jetzt. Sowie geradezu poetisch: Da hat die Künstlerin ihre Fantasie geöffnet.

Emancipation6Diese Begegnung der anderen Art mit bildender Kunst könnte bei so manchem eine Tür zu ihr zumindest einmal spaltbreit öffnen.

Erfreulich daher, dass weitere „Kunst-VermittlerInnen“ (Monika Klengel, Frans Poelstra) für  Termine Anfang nächsten Jahres geplant sind so wie auch eine Fortführung dieses Formats der Kunstvermittlung in nationalen und internationalen Museen. 

„Emancipation of Wonder“ am 29. Oktober, Neue Galerie Graz
 

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