Hauptkategorie: Kritiken

PatricksDas „Inklusive Tanz-, Kultur-, und Theaterfestival“ bot während seiner 9 Veranstaltungstage ein dichtes und facettenreiches Programm (s. auch Bericht zur Eröffnungsproduktion auf tanz.at). Aber selbst, wenn man nach der begeisternden Eröffnungsvorstellung nur zwei der weiteren Angebote nützte, kann von künstlerischer Bereicherung und sozialer Wissenserweiterung gesprochen und erzählt werden.

Zugegeben, bei den beiden hier nun angeführten Theaterstücken handelt es sich nicht um „irgendwelche“. Vielmehr kann jede dieser Wiederaufnahme im Rahmen dieses Festivals auf einen Preis verweisen: Die beiden Akteure Christoph Steiner und Michael Großschädl in „Patricks Trick“ auf den für beste darstellerische Leistung des „Stella-Darstellender. Kunst. Preis für junges Publikum 2017“ und die Koproduktion von Follow the Rabbit Graz und theater/haus G7 Mannheim auf den „JugendStückePreis beim Heidelberger Stückemarkt 2018“ sowie auf den „Stella-Darstellender. Kunst. Preis für junges Publikum 2018“ für herausragende Produktion für Jugendliche.

In beiden Stücken verkörpern 2 junge Männer ihre ganz persönliche Welt, aber auch die Welt von vielen, weltweit. Sie repräsentieren sie mit all ihrer jugendlichen Emotionalität, mit all den Widersprüchen von Verschlossenheit und Offenheit. Sie switchen zwischen unterschiedlichen Zeiten und verkörpern nahezu übergangslos unterschiedliche Rollen. Beide Stücke fokussieren zwar ein Thema von Menschen mit Behinderung, aber dennoch ist es durchzogen von Zwischenmenschlichem, wie es jeder erlebt. Dieser so gar nicht einseitige Blickwinkel auf junges Leben mag ein Grund für die Unmittelbarkeit der Wirkung sein, fühlt sich doch jeder angesprochen: von Bekanntem und nachvollziehbar Unbekanntem, von Bestätigtem und neu Erfahrenem.

„Patricks Trick“ wird für Menschen ab 10 Jahren empfohlen und Helge Stradner trägt dem, diesem in seiner Art sehr verletzlichen Alter, in seiner Inszenierung wunderbar feinsinnig Rechnung.

Da wird viel gezögert, verunsichert ausprobiert, nachgedacht, geblödelt und geschwiegen; oder auch nur „verschämt“ angedeutet – verbal wie darstellerisch. Unterstützt durch ein großartig einfaches, abstraktes Bühnenbild (Denise Heschl) aus ein paar Blöcken, die Fußballtor wie Kücheneinrichtung, Bett oder Schreibunterlage gleichermaßen selbstverständlich darstellen. Die jungen Zuseher werden durch die minimalistisch visuelle Darstellung massiv herausgefordert, selbst zu denken, zu spüren und zu verstehen. Der mit tiefernsten Fragen humorvoll gespickte Text (Kristo Šagor) trägt ein weiteres dazu bei, um in der jeweilig ganz individuellen Weise zu begreifen: ein Geschwisterl ist ein Geschwisterl ist…, und: was ist denn schon eigentlich wirklich „normal“.

MongosDie beiden Jungs in „Mongos“, empfohlen für ab 14 Jahren, leben altersgemäß schon in einer anderen Welt, bedienen sich einer gänzlich anderen Ausdrucksweise; einer sprachlich nicht gerade immer sehr feinfühligen. Die Kluft zwischen Realität und Erträumten ist hier schon viel kantiger und tiefer und das Aufeinanderprallen von gefestigteren Auffassungen ebenfalls; nicht zuletzt natürlich auch, weil jeder der beiden Freunde mit einer anderen Behinderung zu leben hat. Hier wird nicht mehr so sehr erzählt und zugehört als sich in Diskussion erprobt; eine, die in letztendlicher Hilflosigkeit entweder im Streit oder im Schweigen eskaliert. Auch hier ergänzen Inszenierung (Martin Brachvogel) und Darstellerische Leistung (Jonas Werling und Nuri Yildiz) einander in kongenialer Weise.

Denn bei allem handfesten Agieren wird auch dem Angedeuteten, dem Feinfühligen immer noch viel Platz gegeben und gelassen. Und das muss darstellerisch erst einmal umgesetzt werden – was es überzeugend und mitreißend tut. Die Konfrontationen miteinander und mit jeweils sich selbst werden einige Male mittels Bewegung bzw. Platzänderungen auf der leeren Bühne ebenso vieldeutig zurückhaltend wie markant visualisiert: dramaturgisch großartig.

Und letztlich, letztlich explodieren die innerlichen Spannungen, die ganz speziell ihre sind, die, dieser beiden Außenseiter, wie die von im Grunde jedem anderen Menschen auch.

“Patricks Trick” am 23. November 2018 im Next Liberty; “Mongos” am 24. November 2018 im Tao! Theater am Ortweinplatz im Rahmen von InTaKT