Hauptkategorie: Kritiken

Leviathan1„Leviathan“, die international erfolgreiche Produktion der JamesWiltonDance-Company aus dem Jahr 2016, „loosely inspired by Hernan Melville’s Moby Dick“, war als Eröffnungsstück beim 27. Internationalen Tanztheaterfestival Graz zu sehen: Vor einem auch bei der zweiten Vorstellung dicht gedrängten und berechtigterweise begeisterten Publikum – mehrfacher Szenenapplaus inbegriffen.

Der seit 2010 mit Preisen, stetig zunehmender Aufmerksamkeit und weltweiten Erfolgen bedachte James Wilton war in Graz bereits in der Saison 2012/13 mit seiner Arbeit „Growing Divide“ für die Company der Oper Graz sowie einer Kurzinterpretation von „Le sacre du printemps“ zu erleben; gemeinsam mit Sarah Jane Taylor als Gasttänzerin des Opernhaus-Balletts. Mit viel Anerkennung verließen sie damals die Stadt, mit ebensolcher Freude wurden sie nun wieder willkommen geheißen und ihre Präsentation gefeiert.

Wenig verwunderlich bei einer so vielschichtig interpretierbaren choreographischen Version des altbekannten Stoffes: offen für vielerlei Assoziationen und thematische Denkanstöße wie Reflexionsimpulse – ohne aber jemals in Beliebigkeit abzugleiten.Leviathan3

Wiltons choreographische Treffsicherheit mag u.a. darin begründet sein, dass seine Erarbeitungen immer auf der Grundlage von Geschichten basieren: „damit das Wesentliche für den Tänzer direkter imaginierbar und authentisch umsetzbar wird. Für den Zuschauer will er nachvollziehbare Bilder entstehen lassen, die dieser dann zu seiner jeweils individuellen Geschichte montieren soll.“ (siehe Bericht auf tanz.at vom 28. Febraur 2012) So changieren bei so manchem Rezipienten zweifellos die geschauten Bilder zwischen solchen des tradierten Plots und solchen individuell begründeter Bilder der Macht-, Männlichkeits- oder Geschlechterthematik, wobei letztere im 2.Teil ein wenig an Kraft verlieren – zugunsten allgemeiner Machspiele; oder aber, wie auch vom Choreographen angeregt, zwischen Bildern von Ausbeutung allgemein oder der der temporär dominanten Zerstörung der Natur respektive unserer Welt. Solcherart ist das thematische visuelle Angebot ein außerordentlich schillerndes und packendes, nicht zuletzt ein zeitlos tief und nahezu ausnahmslos berührendes.  

Leviathan4Ganz abgesehen von dem, was sich da an technischem Können während der 70minütigen Performancedauer (ursprüngliche Fassung 90 Minuten) dem Zuschauer bietet: Mit – zum allergrößten Teil – homogener Qualität eines  lückenlosen Engagements dynamisch, aber auch feinfühlig  vorgeführt  von Michael Kelland, Norikazu Aoki, Ihsaan De Banya und Jacob Lang sowie – last not least – vom sich immer wieder vorbehaltlos und darstellerisch effektvoll verausgabenden James Wilton als erfolg- und machtbesessenen Käpten Ahab und von Sarah Jane Taylor als ebenso elegant-faszinierend sich bewegenden  wie gelassen- beständigen Leviathan. Basierend vor allem auf Techniken des Flying Low entstehen, kreieren sie getanzte Tableaux von ungewöhnlicher Strahlkraft und Schönheit. Im zweiten Teil sind es solche des beständigen Fließens, des ewigen, unabänderlichen und letztlich  guten Weltenflusses; oder aber auch Gemälde des immerwährend sich bewegenden, rollenden Meeres; wunderbar mit wellenartiger Rumpfbewegung angedeutet schon in der zweiten Szene der ‚kleinen‘, konstant in sich ruhenden Rumpf-Bewegungen des Wales (Sarah Jane Taylor). Nicht selten entsteht dabei getanzte Poesie.

Im ersten Teil sind es Tableaux des (Macht-) Kampfes, die, vermischt mit Techniken der Martial Arts und der Akrobatik, schon auch an Grenzen der Rohheit und Brutalität klopfen; authentisch allemal und von gleichermaßen aufrüttelnder wie abstoßender ‚Schönheit‘.Leviathan2

Das zurückhaltende, aber deswegen nicht minder punktgenau und effektvoll eingesetzte Licht-Design von Alan Dawson möchte man nicht missen; genauso wenig wie die Musik von Lunatic Soul, deren Texte so manches Mal etwa den inneren Kampf, die inneren Zweifel des Rohlings und doch auch des sehnsüchtig Suchenden ziselierend unterstreichen.

Eine tiefsinnig herausragende, , metaphernreiche Bilderflut, die, abgesehen von variationsreich und  prägnant eingesetzten Seilen, ohne Requisiten auskommt.

JamesWiltonDance „Leviathan“ im Theater im Palais im Rahmen des Internationalen Tanztheaterfestivals Graz am 18. Juli 2018