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gravityMythBei der Hand genommen und in das fröhliche Reich übermütiger Kindheit, also in eines der problemlosen Leichtigkeit mitgenommen zu werden, dies ist in „A Simple Space“ der Gruppe Gravity & Other Myths zu erleben. Relativ einfach für jeden, der weiß, dass es zur Weihnachtszeit, also dann, wenn Träumen  erlaubt ist, „Zirkusgeschichten in Graz“ zu sehen gibt: Traumhaft schön; allerdings „einfach“ ist das auf der Bühne Dargebotene deswegen noch lange nicht.

Das Wissen um eben diese Kunstform, die des „Cirque Nouveau“,  zu vergrößern, ihn in Graz überhaupt erst bekannt zu machen “ – seit den 70er Jahren verbreitete er sich in Ländern Europas und Amerikas -, das bewog Werner Schrempf im Jahre 2008 vor Ort den „Cirque Noël“ zu gründen. Und seit damals begeistert jedes Jahr diese spartenübergreifende Kunst tradierter Zirkusformen in Verbindung mit Theater und Tanz und Musik eine immer größere Anzahl von Zusehern. Schrempf und sein Team erachteten es daher auch als angebracht, heuer erstmals parallel zwei unterschiedliche Programme in Graz zu zeigen.gravityMyth3

Die erste Premiere endete mit altersunabhängigem Trampeln, Begeisterungsrufen und Standing Ovation im gesamten Haus: Für das mehr als außer-gewöhnliche akrobatische Können der acht Australier, der sechs Männer und zwei Frauen in unauffälligen Hosen und T-Shirts  auf einer leeren Bühne, also für etwas bar jedes Glitters oder sonstigen Aufputzes. Ausgenommen der wenigen Lichter auf Stäben in den vier Ecken des relativ kleinen Bühnenquadrates (aufgebaut im Zuschauerraum, dreiseitig ganz eng von Zusehern umgeben), die ab und zu von den Akteuren ein- oder ausgeknipst werden; und ausgenommen von einer großartig geloopten Live-Musik. Was dieser Interpret, der auch im Programm selbst mitwirkte, rhythmisch sonst noch draufhat, konnte er in einem Solo zeigen: einem akustischen, bei dem er lediglich seine Hände sowie seinen gesamten Körper als Resonanzraum einsetzte.

gravityMyth2Womit einer der Punkte einer unerhört kreativen Programmliste angeführt ist: bestehend aus Ideen zwischen der Lösung eines Rubik’s Cubes im Kopfstand (auf einer Säule) und einer hyperdynamischen Springschnur-Hüpf-„Meisterschaft“, bei der jeder Fehler mit Ablegen eines Kleidungsstückes gesühnt werden muss (einschließlich eines humorvoll gelösten „bitteren Endes“) sowie zahlreichen anderen,  ähnlich schräg-meisterhaften. Locker-humorvoll präsentierte Beispiele für das breite, immer qualitätsvolle Können jedes einzelnen aus dieser Gruppe, dessen Fokus sich aber freilich rund um eine genuine Akrobatik ansiedelt; eine der besonders speziell angelegten Formen lässt etwa Assoziationen zur Bewegungsart des Contacten aufblitzen; technisch ein klein wenig „anspruchsvoller“ freilich.  Ihre Bewegungskunst sucht ihresgleichen: in der durchchoreographierten, ideenreichen, humorvollen Darbietung und last not least, weil sie von einer im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder un-vorstellbaren Technik getragen wird, von einer der scheinbaren Leichtigkeit sowie schließlich von  einer überzeugend natürlich vermittelten Freude am gemeinsamen Tun.

Das unverschnörkelte kraftvoll-feine Konzept lässt jeden Zuseher (zusätzlich zur räumlichen Nähe) unmittelbarer Teil des Geschehens werden; lässt  ihn mit offenem Mund freudig angespannt ein wenig atemanhaltendes Kind sein. Und wenn als einer der vielen Höhepunkte in der abschließenden „Jonglage“-Sequenz menschliche Körper (!) abwechselnd und übereinander durch die Luft fliegen, dann fliegt der Puls der Zuschauer in ebenso wenig alltägliche Höhen mit.

Gravity & Other Myths: „A Simple Space“, Premiere am 18. Dezember im Orpheum Graz im Rahmen von Cirque Noël. Vorstellungen bis 30. Dezember 2017