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undersiege1In China hat Yang Liping Kultstatus, spätestens seit ihrem Solo „The Spirit of the Peacock“ aus dem Jahr 1986. Mittlerweile ist die Tänzerin mit ihren Choreografien im traditionellen chinesischen Stil äußerst erfolgreich. Mit „Under Siege“ hat sie nun erstmals einen Ausflug ins zeitgenössische Genre unternommen, das im Festspielhaus St. Pölten als eine von drei Stationen in Europa gastierte. Das Stück behandelt die Schlacht von Gaixia (206 v. Chr.), mit der die Herrschaft der Han-Dynastie begann.  

Yang Liping setzt dieses für China so schicksalshafte wie legendäre Ereignis in einer Mischung aus Martial Arts, Tanz und traditioneller, chinesischer Musik in Szene. „Under Siege“ besticht durch die dynamische Bewegungssprache in den Schlachtszenen, durch die akrobatischen Zweikämpfe der beiden Könige, die gegeneinander Krieg führen oder durch das Duett des Doppelcharakters Han Xin, der als brillanter Taktiker dem Han-König zum Sieg verhilft, indem er zahlreiche Hinterhalte aufbaut. Den größten Impakt hat aber wohl der Pas de deux des unterlegenen Xiang Yu mit seiner Konkubine Yu Ji. Das überaus erotische Duo der beiden Tänzer (sic!) He Shang und Hu Shenyuan (der den weiblichen Part mit unbeschreiblicher Grazie tanzt) ist die Schlüsselszene in diesem Stück, das über die Darstellung des kriegerischen Gemetzels von einst auf die bis heute gültigen menschlichen Emotionen verweisen will. Die Konkubine, die auch als "unterschätzter General" bezeichnet wird,  erkennt als erste, dass die Schlacht für ihren König verloren ist und tötet sich. Dieser, durch den Verlust seiner Geliebten noch zusätzlich geschwächt, wird nun den seit vier Jahren andauernden Krieg endgültig verlieren.Undersiege3

„Under Siege“ überzeugt vor allem auch durch seine Ästhetik. Hunderte von Scheren hängen von der Decke und symbolisieren die Tod bringenden Wolken, die sich immer wieder auf die Erde senken – das großartige Bühnenbild stammt Tim Yip, der nicht nur für den Film „Tiger and Dragon“ mit dem Oscar für das beste Kostümdesign ausgezeichnet wurde, sondern etwa auch bei „DESH“ von Akram Khan für die Ausstattung sorgte. Die Kostüme sind vorwiegend in schwarz bzw. weiß gehalten. Doch der Farbenrausch stellt sich am Ende ein, wenn rot gefärbten Daunen die Bühne bedecken. Sie spritzen wie Blut, wenn die gefallenen Soldaten auf dem Boden rutschen. In diesem roten Meer nimmt sich König Xiang Yu das Leben. Die gegnerische Seite um den neuen Machthaber Liu Bang triumphiert.

undersiege4Am Rande des Geschehens schneit die Papierschnittkünstlerin Wang Yan kalligrafische Zeichen aus Papierbögen, die die einzelnen Kapitel des Spektakels bezeichnen. Sie werden ebenso wie der Sprechgesang des Erzählers auf Monitoren in deutscher Übersetzung wiedergegeben. Das hilft beim Verständnis eines Themas, dessen Zusammenhänge dem Großteil des Publikums wohl unbekannt gewesen ist. Doch wer es schaffte, den eurozentristischen Blick für 100 Minuten auszuschalten wurde hier in eine Kultur entführt, die auch in ihrem Streben nach Modernität die Tradition in den Mittelpunkt stellt und in ihrer Ästhetik doch so heutig wirkt. Schön, dass das Festspielhaus St. Pölten immer wieder solch faszinierende Ausflüge  in fremde Welten ermöglicht!

Yang Liping: „Under Siege“ am 12. November 2017 im Festspielhaus St. Pölten

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