Hauptkategorie: Kritiken

icon anna jhZum siebenten Mal verwandelte das Choreographic Center Bleiburg/Pliberk (CCB) das südkärntnerische Städtchen in eine Tanzbühne. Von 17 bis 24 Uhr präsentierten heuer etwa  50 Künstler unterschiedlichste Ansätze zeitgenössischen Tanzschaffens. Durch die Gliederung in Themenblöcke war Kärntens größtes Tanzevent diesmal übersichtlicher als in vergangenen Jahren.

Den Reigen eröffnete das Bodhi Project der Salzburg Experimental Academy of Dance (SEAD). Das Ausbildungsprogramm von Susan Quinn überzeugt immer wieder durch tänzerische und choreografische Qualität, so auch „Ubuntu“ von Sita Ostheimer. Die Choreografin hat viele Jahre mit Hofesh Shechter gearbeitet, dessen Einfluss deutlich sichtbar ist. In ihrem dynamischen Stück „Ubuntu“ geht es in erster Linie darum, den Rhythmus ständig im Körper zu halten, was den jungen Tänzerinnen in den Miniszenen, die jeweils durch Blackouts voneinander getrennt sind, bestens gelingt.

sead jh

Rhythmus ist auch die Grundlage für die Performance von Hygin Delimat, der für „Body Building“ den Schlagzeuger Voland Székely als Gastkünstler gewinnen konnte. Mit beeindruckender Körperbeherrschung bauen der Choreograf und seine Co-Tänzer Elias Buttinger und Lukasz Szapski Körperskulpturen in die Landschaft um das „Bründl“, ein Teich am Rande von Bleiburg. Durch Um- und Aufbauten von einfachen Holzpaletten wird der Aktionraum ständig neu definiert, in ihm tummelt sich Székely und macht Musik mit allem, was ihm unter die Hände und Schlagstöcke kommt.

bruendl gwp

In der kulturell aufgeschlossenen und für Künstler attraktiven Stadt nimmt das Werner Berg-Museum einen zentralen Platz ein. Dort wurde die „Lange Nacht des Tanzes“ auch offiziell von politischen Vertretern von Gemeinde und Land sowie vom Choreografen und Bleiburger Johann Kresnik eröffnet. In diesem Jahr sind im Museum die Ausstellung „Kind“ mit Werken von Gottfried Helnwein bzw. „Kinder“ von Werner Berg zu sehen. Das CCB entwickelte daraus ein getanztes Tryptichon.  

Anna Hein und Pawel Dudus übersetzten die Verletzungen und Verstörungen der Helnweinschen Bilder von kleinen Mädchen in einen offensiven Nahkampf, der von Julian Gamisch musikalisch begleitet und unterstützt wird. In dem schonungslose Gerangel auf dem Vorplatz des Museums greifen die beiden immer tiefer in die Intimsphäre des Anderen und heben die Genderzuschreibung auf. In dieser akrobatischen Interpretation zwischen Missbrauch, Unterdrückung und der Suche nach Geborgenheit sind beide Opfer und Täter. Die in den Bildern latent vorhandene Gewalt wird in ihrem Tanz exzessiv verkörpert.

anna gwp

Luke Baio und Dominique Grünbühel nähern sich dem aus Rheinland-Westphalen stammenden Maler Werner Berg (1904-1981) mit ihren Dudes-Charakteren an (tanz.at berichtete über die erste Produktion im Jahre 2010). In Bleiburg gab es erste Ansätze des Stückes zu sehen, das die beiden in der Auseinandersetzung mit Bergs Werk in Laufe des Jahres entwickeln wollen – wie immer schräg und humorvoll.

lukedom gwp

Als Überleitung vom Platz vor dem Museum (Helnwein) zum Skulpturengarten (Berg) fand Rosalie Wanka, inspiriert von den Bildern von Hermann Falke (1944-1986), eine meditative Überleitung. Zu Musik von Bartholomäus Traubek leitete sie das Publikum mit langsamen Tai-Chi-ähnlichen Bewegungssequenzen auch mental von einer Impression zur nächsten. Wanka findet äußerst stimmige bewegte Bilder zu den filigranen Aquarellen tanzender Figuren des deutschen Malers, der in Loibach bei Bleiburg seine Wahlheimat fand.

rosalie jh

„In the Moment“ nannte das slowenische Gledališče Dela-Theatre of Work ihre Assoziationen zum Thema „Grenzen“. Höhepunkt der 30-minütigen Outdoor-Performance vor dem Kriegerdenkmal war das Spiel mit ausdrucksstarken Stabpuppen, die die beiden Puppenspielerinnen Katja Vravnik und Tea Kovše selbst kreiert hatten.

Puppen jh

Zwei Events gab es im Kulturni Dom, dem Kulturzentrum und Theater von Bleiburg / Pliberk: Georg Blaschke & Jan Machacek zeigten ihre Tanzmedia-Performance-Installation „I don’t remember this body“ (tanz.at berichtete über die Wiener Version).

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Den Abschluss des dichten Programms bildete die Tangoshow „Dolores Hotel“ auf der Bühne des Kulturni Dom. Die Compagnia Tango Brujo Padova unter der Regie von Laura Pulin stellte damit eine rätselhafte Geschichte um Emotionen und Erinnerungen vor, die sich über den Tango manifestierten. Im Paar, zu dritt oder in einem Männerduo, die Choreografen Margarita Klurfan und Walter Cardozo spielten schwungvoll auf der virtuosen Tangoklaviatur. Wer dann noch Kraft und Lust hatte, selbst das Tanzbein zu schwingen, konnte das bei der anschließenden Milonga bis in die Morgenstunden tun.

„Lange Nacht des Tanzes“ am 29. Juli in Bleiburg/Pliberk. Eine gekürzte Version gibt es am 22. September in Slovenj Gradec in Slowenien. Infos auf der Homepage des CCB