Hauptkategorie: Kritiken

SisiphosGrandioses choreografisches Theater in Überlänge. Sie kamen in Scharen in die erhitzte Bergwelt des Aupatals in Friaul: die zahlreichen Fans des für seine außergewöhnlichen Veranstaltungen bekannten Klagenfurter Universitätskulturzentrums „Unikum“ und das lokale Publikum, um die Premiere des als „Revolutionsoper“ angekündigten Stücks von Yulia Izmaylova und Felix Strasser zum Sisyphos-Mythos zu erleben.

„Sisifo&Naranama“ entpuppte sich sodann als choreografisches Theater mit Musical-Touch in Überlänge. Kein Wunder: Zeichnet für die Regie doch Marjan Štikar verantwortlich, Meister bewegter, weit ausholender Inszenierungen, die auch Laientheater optisch auf hohes Niveau heben. Dies gelang jetzt wieder grandios auf dem Dorfplatz von Dordolla, verlorenes Nest in der Geröllwelt des Aupatals hinter Moggio Udinese im Kanaltal. Die im Rahmen des EU-Kulturerbe-Forschungsprogramms TRACES entstandene Unikum-Koproduktion mit dem slowenischen Kulturverein ROŽ und friulanischen Vereinen sowie der Mitwirkung der Einwohner von Dordolla und Nachbargemeinden (Idee/Koordination: Emil Krištof, Gerhard Pilgram, Niki Meixner) vermischt auf sechs (!) Sprachen, von Altgriechisch bis Englisch, den Sisyphos-Mythos mit der in jeder Hinsicht steinigen lokalen Geschichte und Gegenwart (Krieg, Unterdrückung, Migration, „sinnloses“ arbeiten, Revolte).

Was bringen die vielen Darsteller aus Südkärnten und Friaul da nicht alles auf die Bühne vor dem ehemaligen Kinderhort und heutigen Kulturzentrum mit der zu Gegend und Stück passenden Aufschrift „Asilo e Recreatorio“ – Schutz und Erholung - zum farbigen Live-Sound von Jozej Stikar und des „Sisifo Orkestra“: Zu Füßen des Zeus – eine Mischung aus antikem Militär, Drogenboss und Rockstar auf rauchendem olympischen Thron hoch über den ärmlichen Dorfniederungen - sieht und hört man Kämpfe, Tänze, Lieder, Theaterzauber am laufenden Band.

Unglaublich ideenreich, die natürliche, ansteigende „Bühne“ und bizarre Bergkulisse nutzend. Schade, dass gegen Schluss szenische Längen und Wiederholungen wie sie Štikar eben liebt, den fulminanten Start und abenteuerlichen Mittelteil wieder etwas verflachen lassen. Etwas kürzer wäre hier viel mehr gewesen. Eine Klasse für sich: die Kostüme von Stanka Vauda Benčevič. Insgesamt ein großer Wurf, ein starkes Lebenszeichen der intensiven, grenzüberschreitenden Kulturarbeit in Österreichs Süden, das tags darauf nochmals bejubelt wurde.

„Sisifo&Maranama“, Uraufführung am 24. Juni 2017, Dordolla/Friaul. ORF 2 berichtet über die Veranstaltung des Klagenfurter Universitätskulturzentrums „Unikum“ im „Kulturmontag“ am 2. Juli 2017