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leo tannSo leicht geht Wagner, zumindest im Letzten Erfreulichen Operntheater (L.E.O.). Denn dort behandelt man Oper als Belcanto pur, und ersetzt das Orchester durch ein Klavier. Die Handlung wird von einer Conférencière erläutert. Die Rollen von Chor, Ballett und Statisterie übernimmt das Publikum. Und das erfährt, dass man beim Pilgerchor nicht viel falsch machen kann, denn, so unsere charmante „Probenleiterin“ Kerstin Grotrian: „Sie spüren es eh’.“

Den Heinrich Tannhäuser singt Hausherr Stefan Fleischhacker mit seinem wortdeutlichen Tenor selbst. Für die weiteren Hauptrollen hat er sich stimmstarke Kolleginnen und Kollegen geholt:  Annette Fischer berührt als jungfräuliche Elisabeth mit ihrem seelenvollen Sopran. Die furiose Venus, in dessen Fänge Tannhäuser geraten ist, spielt Elisabeth Wolfbauer (und übernimmt beim Sängerkrieg auf der Wartburg den Part von Walther von der Vogelweide), Max Salinger ist der Landgraf (und Minnesänger Biterolf). Mit wunderbar samtigem Bariton verkörpert Paul Müller die Rolle des Wolfram von Eschenbach – zum Weinen schön: „O du, mein holder Abendstern“ nur mit Klavierbegleitung. Hier ersetzt Kaori Asahara quasi mühelos das protzige Wagner-Orchester.leo tann2

Das kleine, rotplüscherne Etablissment in der Ungargasse im dritten Wiener Bezirk wurde vor 24 Jahren von Stefan Fleischhacker gegründet – frei nach Brechts Motto „Besorgen sie sich ein eigenes Theater, sonst spielt sie keiner“. Seither ist das L.E.O. mit seinen unkonventionellen und sparsamen Inszenierungen aus der Wiener Opernlandschaft nicht mehr wegzudenken. Das Opernrepertoire wird rauf und runter gesungen: Verdi, Mozart, Wagner, Puccini …, aber auch Kabarett- und Varieté-Abende stehen auf dem Programm. Im Publikum finden sich sowohl Opern-Aficionados als auch solche, die im L.E.O. erste Versuche machen, sich mit dem Genre anzufreunden. Mit 15 bis 35 € Eintritt ist das leistbar. Für mich als deklarierte Nicht-Wagnerianerin war der Abend jedenfalls gleichzeitig lehrreich wie vergnüglich. „Tannhäuser“ ist mir vertrauter als je zuvor und von nun an werde ich Wagner wohl ganz anders hören.

„Tannhäuser“ am 15. März 2016 im L.E.O. Die nächste Premiere, „Hänsel und Gretel“ ist am 21. März, ab 1. Juni gibt es „Manon Lescot“, und dazwischen eine Reihe von Repertoirevorstellungen.