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2017KeinStuckuberSyrien Gerhard BreitwieserHelfen oder Nichthelfen? Das ist hier die Frage. Während Michaela ihr kleines Refugium öffnet, um eine 12-köpfige Familien in ihr Wohnzimmer zu lassen, stockt es bei Susanne schon beim guten Willen. Die 100-Quadratmeter-Wohnung ließe sich doch teilen, oder? Man könnte doch auch, oder? Das aktionstheater ensemble nimmt sein – mit dem Nestroypreis-2016 gewürdigtes - „Kein Stück über Syrien“ im Werk X Eldorado wieder auf: mit den göttlichen Panda Pirates als Live-Act und Robert Finster als scharfe Dancing Queen.

Helfen, aber wie? Es gibt wohl keine Frage, vor der das aktionstheater ensemble kneifen würde – und die es nicht ebenso beherzt wie schonungslos einer Selbstbeschau unterziehen würde. Der aufgeklärte Kulturmensch geht sich so selbst an den Fettspeicher, denn hier dreht sich alles um ihn selbst und Seinesgleichen. Nun ist das Thema „Helfen-Wollen in Zeiten der vom Aussterben bedrohten Spezies „Gutmensch“ dran, die durch die Flüchtlingskrise gefordert war.

Auf der Bühne ist eine hocheuphorisierte Michaela Bilgeri, die den Wiener Westbahnhof auf der Suche nach Hilfsbedürftigen gestürmt hat, um sie zu sich nach Hause zu bringen. Susanne Brandt bewundert redlich, durchringen kann sie sich selbst aber doch zu nichts, während Robert Finster, in sexy Männerunterwäsche und High Heels von der Refugee-App „My Life as a Refugee“ schwärmt. Man tauscht sich über Pros- und Kontras von Rollkoffern versus flucht-tauglichen Rucksäcken aus.

Historische Wanderbewegung. Alexander Meile steht, mit kleinen gelben Flügeln und pelzigen Fühlern, auf der Bühne. Sein Thema stellt die aktuelle Fluchtbewegung in größere Zusammenhänge: Ein kleiner historischer Abriss der Fluchtbewegungen der Honigbiene zeigt uns, dass heute beliebte Einheimische, die begehrte Süßwaren bringen, in langer Migrationsbewegung den Weg zu uns gefunden haKeinStuberSyrien Aktionstheaterensembleben. Alexander war auch am Westbahnhof zugegen, in der heißen Zeit der Fluchtbewegungen durch Wien, aber Flüchtlingen Bananen zu bringen, fühlte sich nicht richtig an: „Das Letzte was Geflüchtete brauchen ist einen flennenden Mittdreißiger“, meint er. Er wollte Zigaretten – von Mann zu Mann, nicht von Helfer zu Hilfsbedürftigen - verteilen, was bei den Flüchtlingen gut, bei anderen nicht so gut ankam. Er bekam Rüffel, ob er Menschen, die die Flucht überlebt haben, nun mit Krebsstängeln töten wolle.

Es steigt eine wahre „Willkommens-Party“ auf der Bühne, bei der „Willkommen, Bienvenue, Welcome“ geträllert und getanzt wird und ein Catwalk, bei dem man fast geneigt ist, das schönste Casual-Helfer-Outfit zu prämieren. Nach Fehlern suchen braucht man nicht weit entfernt, meist findet man sie schon im eigenen Haus, scheint das aktionstheater ensemble seinem Publikum zu flüstern. Und beginnt nach den naturgemäß auch beim Gutmenschen stets vorhandenen Eitelkeiten zu suchen – und sie zu finden.

Aktionstheater ensemble „Kein Stück über Syrien“, Martin Gruber, Werk X Eldorado, weitere Vorstellungen 2., 3., 4. Februar, werk-x.ataktionstheater.at/, 28.1. Posthof in Linz, www.posthof.at