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2016 12 10 ChinNussknacker1Chinesischer Spieldosenzauber. Eine farbenfrohe Interpretation von Pjotr Iljitsch Tschaikowskis „Der Nussknacker“ besticht im Festspielhaus St. Pölten Jung und Alt. Das Chinesische Nationalballett unter Wang Yuanyuan und Feng Ying betört das Publikum mittels asiatischer Symbolik in seiner choreografischen Version des beliebten Klassikers des russischen Balletts.

Reges Treiben unter Tempeldächern: Männer in grob gestrickter Haube, mit Schal und Fäustlingen, Frauen mit bunten Kniestutzen und Masken auf ihrem Rücken. Ein Radfahrer chauffiert ein Mädchen mit roten Zöpfen über die Bühne. Beladen mit Taschen und Päckchen stolziert eine mondäne Dame auf Spitzenschuhen, mit rotem Mantel und flauschigen Fell-Ohrenschützern heran. Sie wird zum Magnet für Blicke. Eine grazile Frau in Häschenkostüm - und nach und nach noch andere chinesische Tierkreiszeichen, wie etwa Ratte, Hahn, Schwein und Tiger erscheinen. Ein Bursch schlägt ein Rad, die Nacht zieht über die Bühne, Laternen spenden Licht und ein Schneemann wird gebaut.

Nian-Monster und Tiger-Schlacht. In opulenter Besetzung des Chinesischen Nationalballetts spielt das zweiaktige Nussknacker-Ballett nun zur Zeit des Neujahrsfestes in China. Tschaikowskis Komposition, die zu den beliebtesten seiner Werke gehört, ist in einer Aufnahme des Symphonieorchesters des Chinesischen Nationalballetts unter Zhang Yi zu hören. Die Geschichte des phantasiebegabten Mädchens, das von einem Gast aus der Ferne einen Nussknacker geschenkt bekommt, spiegelt nun Symbolhaftes aus dem asiatischen Kulturkreis. Die junge Frau heißt hier Yuanyuan, deren familiärer Frieden durch das Geschenk Störung erfährt. Cousin Tuantuan mutiert nächtens eifersüchtig zum chinesischen Nian-Monster, das eine Armee aus grün schimmernden Wesen befehligt. Aus einem riesigen Geschenkpaket schält sich der zum Leben erwachte Nussknacker, der mit Yuanyuan und einer Armee aus Tigern eine Schlacht ficht. Rot-Kreuz-Häschen verarzten die Verwundeten. Statt einer Kanone knallt der Sektkorken einer überdimensionierten Sektflasche.

Im Traum trifft Yuanyuan auf eiChinNussknacker2Kne meterhohe Kranichkönigin mit prächtiger Flügelspannweite und deren zauberhaftes gefiedertes Ensemble, auf schwebend tanzende Porzellanfiguren, einen Schmetterling und andere quirlige Puppenwesen. Die Herzen endgültig zum Schmelzen bringt ein junges, heimisches Ballettnachwuchs-Ensemble aus der Umgebung. Als Zeichen des Friedens- und Neubeginns zündet schlussendlich Cousin Tuantuan seiner Yuanyuan ein chinesisches Neujahrs-Feuerwerk.

Chinesische Spielfreude fällt im Festspielhaus auf fruchtbaren Boden. Wenn Kunst für das heutige China einen verlängerten Arm der Außenpolitik darstellt, der die Kultur des Landes für westliche Augen öffnen soll - dann: Mission gelungen. Das russische Ballett, das 1892 im Mariinski Theater in St. Petersburg zur Premiere kam, erblüht hier ganz in chinesischem Setting: Wechselseitige Befruchtung westlicher und asiatischer Kulturtradition hat – unter Beifall und mit viel Humor - stattgefunden.

Festspielhaus St. Pölten: Chinesische Nationalballett, „Der Nussknacker“, Choreografie: Wang Yuanyuan und Feng Ying, 10.12.2016, www.festspielhaus.at