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Innsbruck5„Geheimnis“ von Marie Stockhausen und „Switch Complextion“ von Young Soon Hue wurden im neuen Tanzabend "Viel zu heiß" der TanzCompany des Tiroler Landestheaters Kammerspielen in der Messe uraufgeführt. Ob in Marie Stockhausens surrealer Alltagswelt oder in der glitzernden Scheinwelt von von Marilyn Monroe, die in Young Soon Hues Choreografie thematisiert wird, es gilt in jedem Fall: Je heißer die menschlichen Gefühle, desto heißer ihre Vertanzungen.

„Geheimnis“. Stockhausens Uraufführung entführt in eine Welt, in der sich zwischenmenschliche Realitäten abbilden. Inhalt sind zunächst triviale Begebenheiten wie Geburtstagsfeiern. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob diese wirklich als freudiges Erlebnis gewertet werden können. Das Stück versucht das menschliche Leben mit allen seinen Farben und Fragen tänzerisch zu erzählen, lässt den Zuschauer aber mit Gedanken über den Sinn und Unsinn dieser Lebensetappen im surrealen Raum allein zurück. Bleibt die Wahrheit hinter der Fassade nur Nonsens? Dabei vermisst man zeitweise einen stärkeren narrativen Faden.

Die Inszenierung verlangte den TänzerInnen der TanzCompany des Tiroler Landestheaters nicht nur akrobatische, sondern auch bühnenbildnerische Fahigkeiten ab, wenn ganze Türen über die Bühne geschleppt wurden. Gerade diese Türen scheinen ein sehr zentrales Motiv in Stockhausens Symbolik zu sein. Sind es Schicksalstüren, durch die man gehen muss?Innsbruck4

Die Choreographie ist eine zeitgenössische Mischform, aus contemporary, modern und neoklassischen Elementen, man könnte auch sagen: „hauskonform“. Denn in Innsbruck beweist Marie Stockhausen immer wieder ihr Können: Ihr letztes Stück, „Charlie Chaplin“ ist derzeit für den österreichischen Musiktheaterpreis nominiert. Der "Haus- und Hofbühnenbildner" Helfried Lauckner wurde wie bei „Gefährliche Liebschaften“ auch hier für den Entwurf beordert. Ähnlich wie das Konzept eine surrealistische Aneinanderreihung von Bildsequenzen war, bestand die Musik aus verschiedenen eklektisch zusammengesetzten Mosaikstücken. Unter dem schillerndem und abwechslungsreichen Musikauswahl war auch Ludovico Einaudi zu finden.

innsbruck2“Switch Complexion”. In der zweiten Uraufführung wurde das Leben von Marilyn Monroe – passend zu ihrem 90 Geburtstag am 1. Juni – vertanzt. Das Stück überzeugte nicht nur durch seine feinsinnige und musikalische Choreografie, sondern auch durch die hochkarätige Dramaturgie von Axel Gade. Monroes Song “I wanna be loved by you!" zieht sich sinngemäß wie ein musikalischer roter Faden durch die Inszenierung: Die ewige Suche nach dem Glück und nach der Liebe ist in Monroes Biografie unabdingbar und so auch in der Choreographie.

Monroe stirbt - oder wird gestorben - bekanntermaßen einsam, betrogen und verletzt von der Scheinliebe des Menschen. Obwohl sich das Gros der Menschheit zu ihr hingezogen fühlte, war niemand fähig Marilyns tiefes und naiv-wirkendes Liebesbedürfnis zu erwidern. Als Leinwandgöttin verkörperte Lara Brandi den Star auf berührende Weise. Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass wohl jeder eine eigene Vorstellung über das wahre Leben des Sexsymbols hat. Brandi berührte durch ihre grazil-sensible Ausdrucksstärke in der Verkörperung Marylins. Innsbruck3

Die Edelsteine des Tanzabends waren unbestreitbar in de pas de deux und trois zu finden, die in den Szenen „Liebe und Verrat“ und „Neid“ (Lara Brandi, Samuel Maxted und Lore Pryszo) getanzt wurden. Die Musik von Olafur Arnalds “The Wait” korrespondierte mit ihrem wehklagenden Charakter mit dem starken seelischen Ausdruck in der Choreographie. Die Kostüme von Rosa Ana Chanza vereinten historisierende mit äußerst trendigen Elementen. Der Premierenabend stellte für die talentierte Young Soon Hue eine Innsbruck-Premiere dar. Sie hat es geschafft, durch ihre Choreographie die Frequenzen von Marylins Innenwelt in Raum schweben zu lassen und unsere Seelenverwandtschaft mit dem Charakter Marilyn Monroes erfahrbar zu machen.  

TanzCompany des Tiroler Landestheaters: "Viel zu heiß", Premiere am 30. April 2016 in den Kammerspielen in der Messe, Tiroler Landestheater
Weitere Aufführungen: 06., 13., 14., 19., 21. und 27. Mai, 04., 18., 23., 25. Juni und 02. Juli