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FelixMathiasOttBereits zum dritten Mal geht derzeit in Salzburg das biennal ausgerichtete Tanz und Performance Festival Performing New Europe (PNEU) über die Bühnen. Das motivierte Gemeinschaftsprojekt der SZENE Salzburg und sieben europäischen Partnerinstitutionen holt junge wie etablierte Künstler an die Salzach und zeigt zeitgenössische Tanz- und Performancekunst an verschiedenen Spielorten in der Stadt. Bekannte Tourproduktionen und junge Talente bescheren anregende Augenblicke.

Der Trojanische Krieg als handfeste Materialschlacht. Am Mittwoch eröffnete das Stück „An Iliad“ von dem in Berlin lebenden Künstler Felix Mathias Ott in der ARGEKultur das Festival. Ausgangspunkt von Otts Arbeit war der im Titel reflektierte Homer’sche Epos „Ilias“. Bei Ott wird der trojanische Krieg zu einer Materialschlacht und einem Kampf zwischen Entstehen und Zerstörtwerden. Zwei Männer, unterschiedlichem Typus, entspinnen ein synchrones Handwerksmanifest. Unentwegt arbeiten sie sich an dem Bühnenbild ab, formen es um, zerstören es und lassen es in neuer Form wiederauferstehen. Es ist ein sysiphusartiges Ringen zwischen Mensch und Material, ausgetragen in hohem Tempo, befeuert von Klangflächen und Lichteffekten, die das Publikum durch unterschiedliche Gefühlsebenen führen. Gelingt die Synchronisierung aller Bewegungsabläufe zwar nicht vollends, zieht Felix Mathias Otts formstrenge Arbeit die Zuseher dennoch tief in einen atmosphärischen Raum des meditativen Voyeurismus.LisaHinterreithner

Sich auflösen im Salzachsand. Eine weitere Produktion, die sich der Beziehung Mensch und Substanz annimmt, ist Lisa Hinterreithners Performance. Ihr Ansatz ist jedoch ein Umgekehrter. Nicht der Kampf gegen die Materie steht in „Letting go of Things“ im Mittelpunkt, sondern die Hingabe an selbige. Die Künstlerin zelebriert gemeinsam mit Mirjam Klebel das Fühlen, Ertasten und Sich-Umgeben, das Sich-Einhüllen und Sich-Befreien. Eine minutenlange Blackout Sequenz macht deutlich, wie ungleich schärfer die übrigen arbeiten, wird man eines Sinnes beraubt. Unmittelbar und erst jetzt im Dunkeln nimmt man den modrigen Geruch des Sandes von den Ufern der Salzach wahr, der überall verstreut auf dem Boden liegt. Geräusche aus dem Hintergrund treten in den Fokus. Es ist eine Art Bewusstmachung der Stofflichkeit und ihrer Transzendenz.

NadaGambierDie Dinge des Alltags als Paradox in den Kavernen. Ist eine Kinderpuppe tatsächlich eine Kinderpuppe oder kann sie stellvertretend für einen Touristen und einen Terroristen von morgen gesehen werden? Kann beides korrekt sein und ist es der Subtext, der die tatsächliche Bezeichnung bestimmt? Wie veränderlich ist dieses Vokabular? Und unter welchen Umständen variiert es? Bei „Untamed Thingliness“ kommen derartige Fragen, serviert in Form von Antworten auf den Tisch. Dort ausgebreitet, befinden sich  unterschiedlichste Gegenstände des Alltags. Die Finnin Nada Gambier, ausgebildet unter anderem am P.A.R.T.S. in Brüssel, bricht linguistische Selbstverständlichkeiten mit einem Feuerwerk an klugem Humor und Situationskomik auf, in dem sie immer wieder denselben Gegenständen andere Namen gibt. Ihr zur Seite stehen Sara Manente und Marcos Simoes die sich gemeinsam mit ihr durch den reichgedeckten Gabentisch wühlen. Eine Perücke, ein Spielzeugauto oder ein Fußball werden so immer wieder neu definiert, um Selbstverständlichkeiten ad absurdum zu führen und die Zuseher augenzwinkernd ins lustvolle Grübeln zu katapultieren.

Die im Anschluss an eine kurze Pause gezeigte Konzertperformance von Maria Jerez, „Alma de Rímel & The Glammatics“, definiert Gegenstände durch ihre entfremdete Benutzung neu. Wie ein nicht zu fassendes Wesen aus einer fernen Galaxie angereist schlängelt sich die zierliche Spanierin durch Soundwelten, Glitzerstaub und einen Wald knallbunter Gegenstände. Wenn sie auf der goldbespannten Bühne ans Werk geht, ist ihr die Aufmerksamkeit des Publikums in jedem Augenblick gewiss. Mit atemraubender Präsenz und pointiert eingesetzter Erotik fesselt Maria Jerez als eine Mischung aus Michael Jackson, David Bowie und Valie Export die Aufmerksamkeit jedes einzelnen Zusehers an sich und nimmt ihn mit auf eine Reise grenzenloser Fantasie und ungetrübter Freiheit des Handelns.

Festival PNEU, 20. bis 23. Jänner 2016, veranstaltet von der Szene Salzburg