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davidedatoWährend die erste Hälfte des stupenden Richard Strauss / John Neumeier – Ballettabends in nahezu der gleichen Besetzung gezeigt worden ist, durfte in der “Josephs Legende” eine neue Besetzung ihre Interpretation zeigen. Davide Dato (Joseph), Ketevan Papava (Frau Potiphar), Eno Peçi (Potiphar) und Roman Lazik (Engel) bildeten ein spannungsgeladenes Quadrat, das durch das Staatsopernorchester unter Mikko Franck subtil unterstützt worden ist.

„Joseph aber war von schöner Gestalt und gutem Aussehen. Und es geschah, dass die Frau des Potiphar ihre Augen auf Joseph warf und zu ihm sprach: Lege dich zu mir!“
So steht es im 1. Buch Mose, des Alten Testaments geschrieben. Und so war es auch auf der Bühne zu sehen.

Davide Dato, ein schöner Jüngling, als wäre er von Michelangelo modelliert, bezaubert die Festgäste, vor allem die weibliche Hälfte, in Potiphars nach Geld und Gold riechendem Haus. Dieser, Potiphar, schreitet würdig und sich seiner Macht bewusst durch die Halle. Alles gehört ihm, auch sein Eheweib. Eno Peçi ist ein kalter, selbstbewusster und herrschsüchtiger Hausherr.

Allein auch er muss dem Charme und der bezaubernden Neugier des Jünglings Joseph erliegen. Dato scheint direkt dem biblischen Text entstiegen zu sein. Sein Joseph fügt sich schnell in das ungewohnte Ambiente mit den illustren Gästen bei Potiphars, ist sowohl vom Hausherrn wie erst recht von der Hausherrin überaus angetan. Fröhlich mischt er sich unter die Tanzenden, vergisst das noble Getue und den irdischen Tand gleich wieder, wenn er die Gegenwart seines Engels verspürt. Der hat in Roman Lazik eine nahezu himmlische Verkörperung gefunden. Weich und fließend in den Bewegungen, nähert er sich vorsichtig seinem Schützling, bleibt überirdisches Wesen auch in der Umarmung. peci papava  1

Geschlossen wird dieses spannungsgeladene Quartett von Ketevan Papava als selbstbewusste Frau (Potiphar), die sich temperamentvoll über ihren Mann hinwegsetzt. Sie ist nicht verzweifelt und frustriert, weiß um ihre Qualitäten und hat gleichwohl gesehen, dass ihr dieser fremde Jüngling schöne Augen gemacht hat. Dass er nun der nächtlichen Aufforderung, sich zu ihr zu legen, nicht Folge leisten will, macht sie  wütend. Freilich, auch sie wird vom Flügelschlag des Engels berührt. Im abschließenden Pas de trois vollzieht sich die Wandlung. Potiphars Weib scheint in Papavas Darstellung mit ihrer Zukunft im Reinen zu sein.

dato lazikIn  dieser Besetzung lebt die „Josephs Legende“ von der Interaktion der vier Hauptdarsteller, denen es gelingt zu ihren jeweiligen Partnern / der Partnerin eine ganz besondere, einmalige Beziehung aufzubauen, die dem (gegenüber der ersten Neumeierschen Fassung – Wien 1977 – vom Choreografen von jeglicher Exotik und auch Romantik befreiten) Ballett eine schier unerträgliche drastische Dichte verleihen. Das wirkt sich auch auf das Corps de Ballet aus – man möchte mitjammern mit den Klageweibern und bewundert die attraktiven Festgäste ob der sauber ausgeführten technischen Anforderungen.

Ebensolches gilt auch für das erste Stück des von John Neumeier Richard Strauss gewidmeten Abends: „Verklungene Feste“ wird wieder in der Premierenbesetzung gezeigt. Nur der Partner der ausdrucksstark und gelöst tanzenden Liudmila Konovalova, musste ersetzt werden. Davide Dato wird als Joseph gebraucht, doch Kovolalova kommt auch mit dem eleganten, noch ein wenig emotionslosen, Greig Matthews bestens zurecht. Nicht nur die fünf Solopaare in ihrer farblich abgestimmten Designerkleidung begeistern, auch das Corps, das den Bewegungskatalog Neumeiers perfekt ausführt und die lässige Trägheit nach dem Fest effektvoll zur Geltung bringt, hinterlässt Eindruck. Besonders mag ich Vladimir Shishov, der anfangs entspannt und weinselig im Sessel lehnt und auch danach im Pas de deux mit Maria Yakovleva total entkrampft bleibt.

Noch ist die Schlaffheit angenehm, erst wenn die Herren die Militärjacken anziehen (müssen), ist die Party tatsächlich zu Ende. Für Mihail Sosnovschi und die grandiose Irina Tsymbal ist nicht nur das Fest vorbei. Auch die Liebe hat sich davongestohlen, lang bevor der Mann selbst sich verabschieden muss. Auch wenn Neumeier dem Ballett keine Handlung andichtet, so erzählt er zweifellos Geschichten, differenziert, feinsinnig und sublim. Meisterhaft. gregmatthews liudmilakonovalova

Was er an halsbrecherischen Hebefiguren und rasanten Drehungen im Pas de deux verlangt, macht weder den SolistInnen noch den übrigen Ensemblemitgliedern Schwierigkeiten. Exakt und sauber führen Damen wie Herren die Party ihrem tristen, den Krieg ahnenden, Ende entgegen. Noch tanzen sie in Spitzenschuhen, wie auch das Ensemble in der „Josephs Legende“, allein die ist schon in dieses Jahrhundert gerückt: Potiphars Weib und Josef tanzen ohne Schuhe, hingegen mit höchster Emotionalität.

„Verklungene Feste / Josephs Legende“, Ballettabend von John Neumeier zur Musik von Richard Strauss mit Ketevan Papava, Davide Dato, Eno Peçi, Roman Lazik, Wiener Staatsballett. 8. Februar 2014, Staatsoper.
2. Vorstellung in dieser Besetzung, 9. Februar 2014.
Letzt Vorstellung in dieser Saison (Premierenbesetzung) am 14. Februar 2014.