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odonnell„Works in a Week“, ein Produktionsformat, das der Grazer Ballettchef Darrel Toulon mit viel Erfolg initiierte und daher in dieser Saison im Rahmen der Tanz Nite fortgesetzt wird, war ausschlaggebend dafür, dass der für den jungen, zeitgenössischen Tanz an vorderster Front agierende Deutsch-Amerikaner Tilman O’Donnell das Angebot einer einwöchigen Arbeit mit der Grazer Tanzcompagnie annahm.

Gerade diese enge zeitliche Begrenzung war es, die den Tänzer (unter anderem sechs Jahre bei der Forsythe Company) und Choreographen (etwa für das Cullberg Ballet) als außergewöhnliche Idee ansprach und als Herausforderung reizte; nämlich am Ende dieser Intensivphase ein künstlerisches Ergebnis auf der Bühne präsentieren zu können. Dieses ist wiederum kommunikativ eingebettet in gleichermaßen persönlich-lebendigen wie fachlich dichten und informativen Gesprächen, zusätzlich ergänzt durch kleinere praktische Bewegungs- und Tanzbeispiele zwischendurch, geleitet vom Grazer Ballettchef Darrel Toulon – in der Zwischenzeit eines der qualitativen Markenzeichen der Tanz Nite Abende. Diese Gesprächspassagen gerieten bei der Premiere auch besonders gut und informativ, da es Tilman offensichtlich ein großes Anliegen ist, seine Überlegungen einem Publikum weiterzugeben, und zwar spürbar erfolgreich, da dieses in Graz nun, nach zahlreichen Tanz Nites, tatsächlich schon ein fortgeschrittenes ist.

Aber auch sein Eingehen auf das Potenzial einzelner TänzerInnen ist nicht nur ein theoretisches, was an Einzelbeispielen und auch in der Gesamtheit zu erleben respektive zu sehen war. Vorweg gab Tilman dem Publikum aber auch noch grundsätzliche Erläuterungen zu dem, was ihm wesentlich scheint, ja geradezu einer/seiner „Tanzphilosophie“ entspricht: Gedanken zur Beziehung zum Raum, zu der untereinander und zum Publikum und insbesondere zu dem, was er als Zentrum bewusst zu machen versucht, zum Beckenbereich, der mit dem normalerweise fokussierten Kopfbereich ausgetauscht werden solle, um unter anderem ungewohnte Perspektiven zu eröffnen.

Auch anhand eines Videos war Neues zu erfahren: Von welcher mannigfaltiger Ausdruckskraft allein die Bewegungen von Armen und Händen sein können und davon, wie Musik respektive Stille unsere Rezeption beeinflusst.

Derart eingeführt war die Aufnahme der eigentlichen Performance, die , in Abweichung zu seiner ursprünglichen Intention, die den Titel „Weihnachtsmarkt“ haben sollte, ein „ Märchen“ von Tilmans Zeit hier in Graz geworden sei, eine sehr offene und sensibilisierte: Dass keine zusammenhängende Geschichte zu erwarten war, schien allen klar und dass das Gezeigte nichts mit schönen Illusionen am Hut hat ebenso. Vielmehr war ein kontinuierliches Forschen und versuchsweises Erspüren zu erleben: in fast schmerzender Realitätsnähe einerseits (etwa in der Anfangsszene des steril-sehnsüchtig Einander-Suchens), in überspitzt-witziger Absurdität am Ende andererseits. Gruppenzwang wurde ebenso bewusst (gemacht) wie Intimität zu zweit oder Rückzug ins Eigene ohne dabei allerdings tatsächlich neue Blickwinkel zu entdecken.

Einer der vorgelesenen Textteile lautet „…don’t have to mean anything gives me pleasure. Dies zu hören nimmt vom Zuseher nach all der lockend-lockernden Einführung der beiden Moderatoren ein weiteres Quäntchen an Druck „verstehen zu müssen“, und lässt umso mehr das Gefühl und die Freude für künstlerische Bewegung wachsen.

„Tanz Nite 4“ am 18. Dezember 2013 in der Studiobühne, Oper Graz. Weitere Vorstellungen: 20. und 21. Dezember 2013.