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shechterNach den bejubelten Aufführungen in Linz und St. Pölten wurde das erste abendfüllende Stück des Shooting Star der Londoner Tanzszene mit Spannung erwartet. Hofesh Shechters „Political Mother“ hat zwar alle Zutaten einer Megashow, die aber die inhaltliche Leere nicht überdecken kann.

Zuerst begeht ein Samurai Hara-kiri. Danach geht es mit gehöriger Lautstärke los: In einer zweistöckigen Soundwall sind die Musiker zugange. Die Schlagzeuger in ihren Uniformen sind beklemmende Gestalten. Unten auf dem Tanzboden kämpfen zehn TänzerInnen tapfer gegen den Heavy-Metal-Sound an. Szenen der Unterdrückung, der Manipulation, der Unterwerfung, des Widerstandes wechseln einander ab. Der Sänger, der hoch oben mit verzerrter Stimme ins Mikrofon plärrt, ist einmal Diktator, dann wieder Rockstar – ekstatisch jubeln ihm die Massen zu,. Dann wieder sind sie Strafgefangene, die resigniert im Kreis gehen und von affenähnlichen Wärtern bewacht werden. Welche Rolle sie auch verkörpern, sie sind bemitleidenswerte Gestalten, die von oben gesteuert werden. Wütend, aggressiv, brutal, roh und vor allem laut ist diese Show, bei der es vorgeblich um die Frustration und Ohnmacht des Individuums in der Gesellschaft geht.

Von meinem bequemen Sitz im Festspielhaus St. Pölten schaue ich dem Geschehen erst amüsiert (zeitgenössischer Tanz, der sich was traut), dann zunehmend irritiert, aber immer distanziert zu. Da muss doch noch etwas kommen …

Nein, es kommt nicht mehr.  Der musikalische Dauerbeat wird durch Ausflüge in die Klassik und am Ende durch einem Kuschelsong  von Joni Mitchell unterbrochen. Doch ab der ständigen Wiederholungen verliert auch die eindrucksvolle visuelle Ausstattung  ihren Reiz.

Hofesh Shechter geht mit seinen Tanz-Inszenierungen neue und originelle Wege. Der Choreograf und Tänzer ist auch Komponist und zeichnet für die Musik verantwortlich. Die Mischung aus Hardrock und Tanz ist reizvoll, die eigenständige Tanzsprache, die Hip-Hop Moves mit kleinen Armgesten verschmilzt, ist dynamisch und sinnlich und die Gruppenkonstellationen haben Drive. Die visuelle Ausstattung ist beeindruckend (hervorragend das Licht von Lee Curran). Doch leider bleibt Shechter auf der formalen Ebene stecken. Die ständigen Wiederholungen desselben Materials im Tanz wie in der Musik laufen sich bald tot. Am Ende ist man erschöpft von der Reizüberflutung an geballter Wut, die man durchaus nachvollziehen kann und auch gerne teilen würde. Doch bei „Political Mother“ ist man als Zuschauer nicht in der Rolle des Komplizen, sondern bleibt Voyeur.

Hofesh Shechter: „Poliltical Mother“, Festspielhaus St. Pölten am 16. Februar 2013