Hauptkategorie: Kritiken
zoonationDas renommierte Tanzhaus Sadler’s Wells betreibt auch ein Theater in Londoner West End. Im Peacock Theatre setzt man auf populäre Tanz - und Musicalformate und seit Mitte Oktober läuft dort die Show „Some Like It Hip Hop“. Der künstlerischen Leiterin der ZooNation Dance Company Kate Prince und ihrem umwerfenden Team ist damit ein wahrer West End-Hit gelungen.   Es beginnt erschreckend konventionell. Riesige braune Kästen stehen auf der Bühne, die Stimmung ist düster. Ein Erzähler tritt auf und kommentiert die Geschichte des Governors einer Stadt: der ursprünglich beliebte Souverän ändert sich ganz plötzlich, holt die Sonne vom Himmel, versteckt sie und verdonnert seine Untertanen zu Fließbandarbeit. Die Untertaninnen hingegen werden überhaupt nur noch als Handlangerinnen für die Männer gebraucht und haben gar nichts mehr zu sagen. Die Kästen werden beiseite geschoben, Tische fahren auf. In der Stadt beginnt der Arbeitsalltag – in präzise choreografierten Hip Hop Moves. Zwei Frauen – Jo-Jo und Kerri - reißen aus und erforschen die Männerdomaine, werden ertappt und aus der Stadt verbannt. Doch draußen ist es noch unwirtlicher als drinnen – die Szene ist eine Vorstadtmisere à la Charles Dickens.

Nachdem die Stadt nun Arbeiter – natürlich nur Männer– sucht, beschließen die beiden Frauen ihr Schicksal als Männer (verkleidet) in die Hand zu nehmen und bestehen, ebenso wie der Büchernarr Simeon, der auf Brautschau unterwegs ist, den Eignungstest – alles in der Sprache des Hip Hop. Auch Oprah, die vergessene Tochter des Governors schlüpft durch das massive Stadttor.

Die wuchtige Ausstattung (Ben Stones) erweist sich als extrem wandlungsfähig, und bestens geeignet die Geschichte zu transportieren.

Altmodisches Ambiente? Das nehmen wir schon gar nicht mehr als solches wahr, denn wir sind mitten drin in einer fesselnden Geschichte, die sich aus der geschickten Mischung aus Erzählung, exzellentem Tanz und aufregender Musik (Josh Cohen und DJ Walde) entwickelt, leiden und freuen uns mit Jo-Jo, Kerri, Oprah und Simeon. Hier sind einige der besten Tänzer ihres Genres vereint, allen voran Lizzie Gough, Teneisha Bonner, Natasha Gooden, und ganz besonders Tommy Franzén, der Hip Hop Moves übergangslos in komplexe Akrobatik übersetzt ohne jemals seinen Charakter als bebrillter Intellektueller aus den Augen zu verlieren.  Gute zwei Stunden dauert das Märchen, das sich von Szene zu Szene in Intensität und Tempo steigert und von den wunderbaren Sängerinnen Elliotte Williams-N’Dure und Sheree Dubois und Background-Vokals mit Hip Hop Songs, jazzigen Grooves und Balladen begleitet wird. Beim Happy End (das Kate Prince nicht besonders prominent inszeniert,  hat sie doch die einzelnen Handlungsstränge schon zuvor zusammengeführt) steht das Publikum schon in den Reihen. Als Zugabe gibt es eine kleine Abschiedschoreografie für alle.

„Some Like It Hip Hop“ ist fantastisches, mitreißendes Entertainment. Hip Hop Puristen sind entsetzt, wie man aus den YouTube Postings erfährt, aber Theater- und Musicalaficionados sind begeistert von der jungen, energiegeladenen und originellen Show, die so viele Talente vereint. Einige von ihnen, auch Gough und Franzen sind dem Publikum bekannt, als Finalisten der BBC-Talentshow „So You Think You Can Dance“, bei der Prince für die Choreografie zuständig war. Sie ist übrigens neben Choreografen wie Sidi Larbi Cherkaoui, Akram Khan oder Hofesh Shechter ein Sadler’s Wells Associated Artist in Residence.

ZooNation Dance Company „Some Like It Hip Hop“ im Peacock Theatre am 6. November 2011 (noch zu sehen bis 19. November.