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ophelia2In Anlehnung an Heiner Müllers „Hamletmaschine“ hat Manfred Aichinger mit der Company homunculus eine „opheliaMASCHINE“ einstudiert. Nicht der Prinz von Dänemark steht im Mittelpunkt, sondern die verlassene Braut, Ophelia, deren Vater von Hamlet irrtümlich erstochen worden ist. Anders als bei Shakespeare will Ophelia nicht länger Opfer sein, will sich wehren und Rache üben.

Bei Shakespeare ist Ophelia, die Tochter des Kämmerers Pollonius. Hamlet hat ihren Vater erstochen, weil er den hinter einem Vorhang Verborgenen für seinen Onkel Claudius, den Liebhaber seiner Mutter, hielt. Einst hat er Ophelia umworben, nun lässt er sie fallen. Das Mädchen wird wahnsinnig und ertränkt sich. Ein Opfer der Umstände also.

Heiner Müller widmet in seinem Text „Hamletmaschine“ Ophelia zwei Szenen, in der Ophelia „aufgehört hat sich zu töten“ und zur Rächerin geworden ist. Hamlet soll ihr Herz verspeisen. Diese Figur der rasenden Frau, die jedes Gefühl verloren hat, ihren Mund gewaltsam zum Schreien öffnen muss und doch keinen Ton zustande bringt, die keine Tränen und keinen Schmerz mehr kennt, deren Lächeln nur noch ein leeres Grinsen ist, die schwarze Witwe mit blutenden Händen, stellt Aichinger mit sieben Tänzerinnen auf die Bühne. Er zitiert (und orientiert sich) am brutal-genitalen Text, den Müller für Ophelia geschrieben hat, und versucht die rasende Wut, die aufsteigende Kälte und Gefühllosigkeit, den Verlust des Selbstwerts und der Eigenwahrnehmung spürbar zu machen. Das Konzept geht nicht wirklich auf. Die Bewegungen bleiben an der Oberfläche, gehen weder unter die Haut der Tänzerinnen noch des Publikums. Ophelia erregt keine Furcht und kein Mitleid, kann mich trotz der Vervielfachung nicht berühren, nicht interessieren.

Manfred Aichinger ist als feinfühliger Choreograf bekannt, dass er sich auf den brutalen Text Müllers, der mehr gesellschaftspolitisches Statement (entstanden 1977 in der DDR) als individuelle Charakterisierung ist, stützt und nicht eine eigene Interpretation der verlassenen und unschuldig zwischen die Räder von Hamlets Familiengeschichte geratenen Braut anbietet, ist schade.

Müller hat Shakespeares Personal nur als Hintergrund für seine politische Anklage genommen und auch Aichinger spricht im Programmheft davon zu zeigen, wie sich „gesellschaftlichen Erfahrungen“ in den Körper einzuschreiben. Ein hehres Ziel, das zu erreichen den Tänzerinnen (Martina Haager, die in einem Extrakt eine spannende Kurzvorschau gezeigt hat, ist nur eine von sieben) nicht gelingt. Die mechanischen Bewegungen (vor allem des Schultergürtels und der Hüften) bleiben hohl, die Opheliamaschinen rucken und zucken, rennen, rollen auf dem Boden  und werden am Ende nicht wieder aufstehen. Ophelia bleibt, was sie war, ein Opfer.

So steht es im Programmheft. So entspricht es weder dem heutigen Frauenbild, so muss es auch nicht sein. Doch vielleicht wollen es die Männer (Müller wie Aichinger) so.

„Die opheliaMASCHINE, von Manfred Aichinger, company homunculus, KosmosTheater, 8. Mai 2010.

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