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Die dänische Choreografin Mette Ingvartsen zeigt pulsierende Körper im Raum.mettecity
Sieben TänzerInnen verdichten sich zu einem einzigen Körper, driften wieder auseinander, sind Individuen und Teil der Stadt, aber auch, einem rhythmischen Perpetuum Mobile gleich, die Stadt selbst. Nur wenige Geräusche und Lichteindrücke simulieren das Umfeld, in dem sich die Körper anfangs zaghaft bewegen.

Zwei Lichtquadrate, eines von oben strahlend, das andere auf dem Boden glimmend, markieren den Raum. Einem lebenden Bild gleich sind die sieben Tänzerinnen darin verteilt. Bewegungslos vorerst. Manche halten goldene oder silberne Folien in der Hand. Deren Rascheln ist das einzige Geräusch. Später wird man kaum wahrnehmbar andere Klänge hören und sie, dem Titel des Abends gemäß – „Giant City“ – der Stadt zuordnen. Auch die Lichter der Großstadt verändern sich, kaltes Blau, warmes Rot, grelles Weiß, kurz und flüchtig blitzen sie auf. Unbemerkt beginnen sich die Körper zu bewegen, kleine Veränderungen mit den Fingern, ein Wippen in den Kniepen, ein Vorwärtstasten der beiden Figuren auf dem Boden, ohne vorwärts zu kommen.

Die Zuschauerinnen sitzen im Viereck um die Bühne, ohne Anstrengung sind die einzelnen Körper nicht sichtbar. Man fokussiert den am nächsten minimalistisch agierenden Körper, ist sich der anderen dahinter und daneben doch stets bewusst. Allmählich werden die Bewegungen deutlicher, ein Rhythmus beginnt sich zu formen, in dem sich die sieben Körper gemeinsam bewegen. Dann erobern sie den Raum, schwankend, pulsierend, strebend ohne eigentliches Ziel. Die sieben Körper verdichten sich zu einem einzigen Wesen, das mit einer Lunge atmet, mit einem Augenpaar auf das Publikum blickt, streng meistens und abweisend. Ausbruchsversuche aus dem Schwarm sind erfolglos, schnell formiert sich der Organismus wieder um Ganzen (aus sieben Teilen).

Spröd ist diese Performance der P.A.R.T.S–Schülerin und erfordert Geduld. Wer die aufbringt, fühlt sich auf einmal mitten in rhythmischen Pulsieren, schwingt mit im Körper der Großstadt und genießt auch ein beeindruckendes Performance-Erlebnis.

Zur Choreografie – uraufgeführt beim steirischen herbst 09 – hat Mette Ingvartsen (und auch andere kluge Köpfe) allerhand theoretische Konzepte vorgelegt. Die lesen sich dann im Programm so: „ Städte bestehen nie nur aus immobilen Gebäuden, sondern vielmehr aus einem Fluxus immaterieller Strömungen: Informations- und Menschenfluss, Flüsse von Luft, Geld und Begierden. Immaterielle Architekturen schaffen Szenerien, in denen die Menschen sich bewegen, Bühnen, in denen Körper agieren. Aktionen und Interaktionen als Bestandteile eines konstruierten Raums, in denen die Körper sich in Beziehung mit ihrer Umwelt setzen.
GIANT CITY ist eine Spekulation über die Auswirkungen, die immaterielle Bewegungen und virtuelle Räume heute auf unsere Körper haben.“ Schon möglich, schwer verständlich, für mich nicht wirklich notwendig. Der Titel genügt mir, um mögliche Assoziationen hervorzurufen und in die Performance einzutauchen, mit zu pulsieren.

„Giant City“, Tanzquartier, 23.April 2010